Der Beschuldigte befand sich im März 2021 gemeinsam mit seiner Frau und den drei Kindern in der gemeinsamen Wohnung in der Stadt St.Gallen. Während die Mutter eines der Babys im Elternschlafzimmer ins Bett brachte, ging der Vater mit dem damals viermonatigen Säugling in ein weiteres Schlafzimmer und legte es ebenfalls Schlafen. Danach soll der Deutsche im Wohnzimmer Fern geschaut haben. Das Babyphone sei eingestellt gewesen.
Vater nahm Verletzungen in Kauf
Später am Abend begab sich der damals 37-jährige Mann wieder ins Schlafzimmer, wo das Baby lag. Sodann hob er den Säugling mit beiden Händen unter dessen Achseln greifend hoch und schüttelte ihn laut Anklageschrift – im Bewusstsein, dass dies lebensgefährliche Verletzungen zur Folge haben könnte – so heftig, dass der Kopf des Säuglings mehrmals hin- und hergeworfen wurde. Der Beschuldigte nahm damit zumindest eine massive körperliche Beeinträchtigung des Säuglings in Kauf, wie es weiter in der Anklageschrift heisst. Das Baby versteifte sich.
Der Beschuldigte rief seine Ehefrau und anschliessend wurde der Rettungsdienst alarmiert und der Säugling wurde ins Kinderspital gebracht.
«Shaken-Baby-Syndrom»
Dort wurde als Folge des Schüttelvorgangs mindestens Flüssigkeit unter der harten Hirnhaut rechtsbetont, Einblutungen unter der weichen Hirnhaut entlang der Hirnkonvexität rechtsbetont und Einblutungen im Hirngewebe am rechten Stirnlappen über dem Augenhöhlendach festgestellt. Zudem kam es auch zu Einblutungen in die Netzhaut beider Augen.
Dies seien typische Anzeichen eines nicht akzidentelles Schädel-Hirntraumas im Sinne eines Schütteltraumas – dem sogenannten «Shaken-Baby-Syndrom». Bei einem Schütteltrauma besteht für einen Säugling generell die unmittelbare Gefahr schwerer Hirnschäden oder gar des Todes. Eine unmittelbare Lebensgefahr habe es beim Kind nicht gegeben. Die Folgeschäden seien jedoch nicht abschliessend bestimmbar, da allfällige Beschwerden erst im Laufe des Entwicklungsprozesses des Säuglings und Kleinkindes offensichtlich werden.
Die Staatsanwaltschaft beantragte wegen versuchter schweren Körperverletzung eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten mit einer Probezeit von zwei Jahren sowie eine Landesverweisung von sieben Jahren und einer Genugtuung von mindestens 8'000 Franken. Als Beweggrund für die Tat nannte die Staatsanwaltschaft die Überforderung des Mannes mit den Kindern.
Beschuldigter könne sich nicht mehr erinnern
Vor Gericht sagte der Mann aus, dass er sich nur noch daran erinnern könne, dass das Kind geschrien habe und er es dann auf seiner Schulter hatte als er bemerkte, dass das Baby nicht mehr atmete. Er hob das Kind hoch und sah, dass sein Kopf zur Seite hing und der Körper schlaff war. Danach habe er einen Filmriss – bis zu dem Zeitpunkt, wo der Säugling auf dem Bett lag und er es versuchte zu reanimieren. An ein Schütteln könne er sich nicht erinnern. Die Verteidigung des Angeklagten sagte vor Gericht aus, dass unbestritten sei, dass das Kind geschüttelt wurde, aber der Beschuldigte nicht vorsätzlich gehandelt hat, sondern dem Kind helfen wollte, aber aus der Not heraus falsch gehandelt habe.
Säugling hatte Corona
Aus dem Austrittsbericht des Kantonsspitals sei gemäss der Verteidigung zudem ersichtlich, dass beim Säugling das Coronavirus nachgewiesen wurde. Es sei anzunehmen, dass dies der Auslöser für die Atemwegserkrankung des Kindes war und der Vater deshalb das Kind reanimieren musste. Ein Eventualvorsatz sei deshalb nicht gegeben und er sei ein liebender Vater gewesen, der versuchte für seine Kinder da zu sein – auch wenn es nicht immer einfach war. Zudem befinde er sich in Therapie und arbeite an sich. Eine Landesverweisung wäre nicht verhältnismässig, da man die Familie, die mittlerweile wieder in einem Haushalt lebt, auseinander reissen würde und damit das einzige Einkommen wegfallen würde.
Keine Landesverweisung
Das Gericht kam am Donnerstagmittag zum Urteil, dass sich der Mann der schweren Körperverletzung schuldig gemacht hat. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben mit einer Probezeit von zwei Jahren. Es wurde wegen Härtefalls davon abgesehen, dass der Beschuldigte das Land verlassen muss. Er muss seinem Sohn eine Genugtuung von 2'000 Franken (zzgl. 5 Prozent Zinsen) zahlen. Für die Verfahrenskosten von insgesamt 31'853.75 Franken muss der 39-Jährige aufkommen.