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Erstmals «Paul-Grüninger-Tage» in St.Gallen

Paul Grüninger kurz vor seinem Tod 1972.
Paul Grüninger kurz vor seinem Tod 1972. Bild: ullstein
Aus Anlass des 50. Todestages von Paul Grüninger wird an der Kantonsschule, im Palace und im Kinok an die Taten des ehemaligen St.Galler Polizeihauptmanns erinnert, der Flüchtlinge im St.Galler Rheintal entgegen der Bundesratspolitik einreisen liess.

Der St.Galler Polizeikommandant Paul Grüninger (1891-1972) rettete während der nationalsozialistischen Verfolgung mehreren hundert, vielleicht einigen tausend jüdischen und anderen Flüchtlingen das Leben. Grüninger gewichtete ihr Schicksal höher als die Grenzsperre, die der Bundesrat als Ausdruck seiner antisemitischen Flüchtlingspolitik erlassen hatte, und liess die Flüchtlinge im St.Galler Rheintal in die Schweiz einreisen. 1939 wurde Paul Grüninger von der St.Galler Regierung fristlos entlassen und gerichtlich verurteilt, verfemt und vergessen.

Sensibilisierung der jüngeren Generation

Heute steht der Name Paul Grüninger beispielhaft für Mut und Menschlichkeit. Aus Anlass seines 50. Todestages, der sich am 22. Februar 2022 jährt, finden in St.Gallen nun erstmals die «Paul-Grüninger-Tage» statt. Sie sollen gerade einer jüngeren Generation die Gelegenheit bieten, sich mit dieser St.Galler Weltgeschichte zu beschäftigen.

In der Kantonsschule St.Gallen werden rund 160 Schüler den Film «Grüningers Fall» von Richard Dindo (1997) anschauen. Vertreter der Paul Grüninger Stiftung werden danach Auskunft auf Fragen geben und für Workshop-Gespräche mit den Schülern zur Verfügung stehen.

Podiums-Diskussion im Palace

An einem öffentlichen Podium im Kulturlokal Palace diskutieren am selben Abend, um 20.15 Uhr, Stefan Keller, Paul Rechsteiner, Christina Späti und Dina Wyler über Grüningers Geschichte: über seinen Einsatz für die Flüchtlinge, den langen Kampf für seine Rehabilitierung sowie erinnerungspolitische Herausforderungen der Gegenwart.

Der Journalist und Historiker Stefan Keller hat Grüningers Geschichte recherchiert. Sein Buch «Grüningers Fall», das vor zwanzig Jahren die Grundlage für Grüningers Rehabilitierung bildete, erscheint in diesen Tagen in sechster Auflage. Der Anwalt und heutige SP-Ständerat Paul Rechsteiner hat dessen Rehabilitierung erkämpft.

Christina Späti lehrt als Geschichtsprofessorin an der Universität Fribourg, zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören der Holocaust und seine Nachgeschichte sowie Antisemitismus. Dina Wyler ist Geschäftsführerin der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus. Das Gespräch leitet der Journalist Kaspar Surber.

Film mit anschliessender Diskussion

Am Donnerstag, 24. Februar, wird schliesslich im Kinok, um 19.45 Uhr, der Film «Grüningers Fall» von Richard Dindo öffentlich gezeigt. Im vielschichtigen Porträt kommen seine kürzlich verstorbene Tochter Ruth Roduner sowie zahlreiche Gerettete und Weggefährten von Grüninger zu Wort. Nach dem Film diskutieren Stefan Keller und Paul Rechsteiner gemeinsam mit der Saiten-Redaktorin Corinne Riedener.

Grüninger wurde vom Staat Israel als «Gerechter unter den Völkern» ausgezeichnet. Erst nach seinem Tod wurde er gegen den Widerstand der St.Galler Regierung politisch wie auch juristisch rehabilitiert. Vom Fussballstadion bis zum Schulhaus erinnern zahlreiche Orte in der Region St.Gallen und rund um die Welt an seine historischen Taten.

Seine Nachkommen haben eine Stiftung gegründet, die mit einem Preis Menschen würdigt, die heute im Sinne von Grüninger handeln. Dies insbesondere mit Blick auf die Dringlichkeit einer menschlichen Flüchtlingspolitik. Die nächste Verleihung des «Paul Grüninger Preises» ist für 2023 vorgesehen.

pez/pd/rheintal24