Home Region Schweiz/Ausland Sport Rubriken
Walenstadt
19.02.2022
18.02.2022 12:13 Uhr

Faszinierend Schönes aus Stein

Haabbrunnen am Walensee: Ein Werk von Steinmetz und Bildhauer Sepp Azzola aus Mels. 
Haabbrunnen am Walensee: Ein Werk von Steinmetz und Bildhauer Sepp Azzola aus Mels.  Bild: Beat Moser
Eine aktuelle Untersuchung bringt es an den Tag: Historische und moderne Kunstwerke im Sarganserland und in der Region See-Gaster sind hauptsächlich aus einheimischen Gesteinen.* (Beat Moser, Terra plana, März 2014)
«*Dieser Beitrag stammt aus der Märzausgabe 2014 der ‘Terra plana’.»

Bei Ausflügen im Sarganserland oder in der Region See-Gaster entdeckt der Besucher unzählige historische und moderne Kunstwerke aus einheimischen Gesteinen. Der vorliegende Bericht beantwortet folgende Fragen: Wer hat diese Kunstwerke geschaffen? Welche Gesteinsarten wurden verwendet und wo erfolgte der Abbau? Die ausgewählten Beispiele stammen aus der Zeit zwischen dem 12. Jahrhundert bis heute. Alle Steinkunstwerke aus dem Sarganserland und der Region See-Gaster vorzustellen, würde den Rahmen dieses Berichtes sprengen. Nachfolgend werden die verwendeten Gesteinsarten vorgestellt.

Sarganser und Ragazer Marmor

Schwarzmarmore sind dunkle, alpine Kalksteine, zum Teil weiss geadert. Der Quintener Alpenkalk wurde seit dem 17. Jahrhundert ausgebeutet. Im Steinbruch Vild/Sargans wurde der Sarganser Marmor gewonnen, zum Beispiel für die Ausstattung der Pfarrkirche St. Oswald und Cassian in Sargans. Diese Kalksteine wurden einerseits als Bausteine (Hoch- und Tiefbau, Sockel- und Mauerstein, Brückenpfeiler, Brunnen und anderes mehr) und als Marmor für Kunstwerke im Innen- und Aussenbereich (zum Beispiel Portale) eingesetzt. Diese Gesteinsgruppe ist auch unter den Namen Sarganser Marmor, Sarganser Stein, Ragazer Marmor und Ragazer Stein bekannt.

Seit dem 17. Jahrhundert wurden diese Marmore für Kunstwerke in Innenräumen poliert. Nach der Politur erscheint das Gestein dunkelbraun, dunkelgrau bis tiefschwarz. Die Gesteine sind oft mit weissen Kalzitadern durchzogen, welche dem Stein ein lebhaftes Aussehen verleihen. Vorzugsweise wurden diese Steine für Säulen, Wappen, Altäre oder Taufsteine verwendet. Der Marmor wurde in unmittelbarer Umgebung des zu schaffenden Kunstwerkes gewonnen, um somit lange Transportwege der tonnenschweren Steine (Beispiel: rund fünf Meter hohe Monolithsäulen in der Klosterkirche Pfäfers, Monolith: aus einem Stein) zu minimieren.

Melser und weitere Sandsteine

Der Melser Sandstein ist ein weissgrauer bis grünlicher Grobsandstein, welcher grösstenteils aus Quarzkörnern und Feldspatkomponenten besteht. In den Steinbrüchen Runggalina (heute: Lourdesgrotte Mels) und Harzloch wurde der Melser Sandstein neben der Verwendung für Kunstwerke insbesondere für Mühl- und Bausteine gebrochen. Schon früh hat man die guten Mahleigenschaften des rötlich-violetten, grobkörnigen Verrucanos erkannt, sodass die Mühlsteinproduktion in der Umgebung von Mels über viele Jahrhunderte zu einem der wichtigen Industriezweige zählte. Die Abbaustelle für Mühlsteine auf dem Castels/Mels ist heute noch gut erkennbar. Früher wurde diese Gesteinsart auch als «Melserstein rot» (Handelsname) bezeichnet. Die Brunnentröge in Mels sind aus rotem Verrucano oder grünlich grauem Melser Sandstein.

Heute wird Verrucano zum Beispiel im Steinbruch Tiergarten (Ackermann AG, Bauunternehmung, Mels) und im Steinbruch Vermol (Kalberer Natursteine & Gartenanlagen, Sargans) abgebaut.

Die grauen Sandsteine, zum Beispiel vom Zürichsee, sind fast immer feinkörnig, öfters sind parallele Streifen erkennbar, kaum rote, dagegen reichlich schwärzliche Körner. Dieser Sandstein eignet sich für Reliefs, ornamentale und figürliche Plastiken, Säulen, Grabsteine, Ofenplatten, Brunnen, Fenstereinfassungen, Gesimse, Treppenstufen usw. Diese Sandsteine werden heute noch am Zürichsee (Bollingen, Nuolen), in Rorschach usw. abgebaut.

Bild: Beat Moser

Der Steinmetz und Steinbildhauer

Aufträge für alle kirchlichen und profanen künstlerischen Arbeiten erhielten meistens auswärtige Kunsthandwerker, vor allem solche aus dem Vorarlberg (aus Bregenz, Feldkirch) oder Tirol. Informationen über die historischen Steinmetzen/Bildhauer sind spärlich, ausser über Anton Zimmermann, den letzten Steinmetz von Mühlsteinen. 1936 zeichnete Benedikt Frei ein Gespräch mit dem letzten Steinmetz vom Castels auf: Zwischen 1830 und 1850 wurden auf dem ganzen Castels Mühlsteine gebrochen, wobei jeder zweite Stein zu Bruch ging!

Ab den Fünfzigerjahren wurden auch Quadersteine als Lager für Eisenbahnbrücken, Brunnen, Türgerichte, Randsteine usw. gehauen. Seit den Sechzigerjahren wurden die Blöcke herausgesprengt. In diesen Jahren arbeiteten rund 30 Männer bei der Firma Zimmermann.

In den Achtziger- und Neunzigerjahren des 19. Jahrhunderts erhielt ein Steinhauer fünf, ein Steinsprenger drei und ein Handlanger zwei bis drei Franken pro Tag. Als Steinhauer arbeiteten Italiener, die Sprenger und Handlanger waren Einheimische.

Beim früheren Abbau der Steinblöcke wurden Schlitze von Hand mit dem Zweispitz ausgehauen. Diese waren nicht breiter als zehn bis 15 Zentimeter. Um die Schlitze tief genug hauen zu können, hatten die Zweispitze Stiele bis zwei Meter Länge. Eine weitere alte Methode war das Abkeilen der Blöcke. Je nach Gesteinsart wurden entlang der gewünschten Spaltfläche kürzere oder längere Löcher von fünf bis zehn cm Durchmesser von Hand gebohrt. In die Löcher schlugen die Arbeiter mit einem fünf bis acht Kilogramm schweren Schlegel Holzkeile. Durch zusätzliches Wässern quollen die Keile und konnten so das Gestein sprengen. Die Steinbildhauer sind die Künstler unter den Handwerkern der Naturstein verarbeitenden Branche. Mit Werkzeugen wie Setzer, Schlageisen, Spitzeisen, Stockhammer, Handfäustel, um nur die wichtigsten zu nennen, formt der Steinbildhauer die Steine zum Kunstwerk.

Kunstwerke aus einheimischen Gesteinen

Nachfolgend wird aus der grossen Vielfalt der Steinkunstwerke im Sarganserland und der Region See-Gaster jeweils ein Beispiel aus folgenden Bereichen vorgestellt: Portale, Säulen, Taufsteine, Wappen und Grabplatten sowie Menschen- und Tierköpfe.

Portale

Pfarrhof Mels: Das heutige stattliche, dreigeschossige Giebelhaus mit dem Portal wurde unter Abt Bonifaz III. Pfister von Pfäfers 1748 erbaut, dessen Wappen am Marmorportal prangt. Er stammte aus Tuggen. Neben dem Melser Pfarrhof baute Bonifaz Pfister in Ragaz den Torkel und das Fruchtgebäude, die Kirche in Valens und die Kapelle in Quinten.

Weitere sehenswerte Prunkportale aus einheimischem Marmor findet der Besucher bei der Pfarrkirche St. Oswald und Cassian in Sargans, bei der Pfarrkirche St. Maria Assumpta in Pfäfers usw.

Säulen

Pfarrkirche St. Maria Assumpta, Pfäfers: Einmalig sind die reich geaderten Monolithsäulen aus einheimischem, poliertem Marmor (Kalkstein) in der Pfarrkirche St. Maria Assumpta in Pfäfers. Der Marmor wurde im 17. Jahrhundert in unmittelbarer Umgebung des Klosters abgebaut. Die Abbaustellen sind heute noch erkennbar.

Haus Zink, Flums: Dieses stattliche Haus im Dorfkern von Flums erbaute Heinrich Zink, Hauptmann in französischem Sold, 1624. In der Stube im ersten Stock befinden sich zwei runde, ähnlich ornamentierte Fenstersäulen aus einheimischem Sandstein mit der Jahreszahl 1624 und den Namen von Heinrich Zink und seiner Frau Anna Maria Tschudi. Eine viereckige, ebenfalls ornamentierte Fenstersäule, datiert 1634, ziert die Stube im zweiten Stock.

Gasthaus Hirzen, Schmerikon: Im ersten Stock des ehemaligen Gasthauses Hirzen (auch Schlössli genannt) befindet sich die Stube mit drei sehr schönen Fensterpilastern aus einheimischem Sandstein. Diese Kunstwerke stammen aus der Renaissancezeit um 1620–1630 und wurden vom Baumeister Ulli Stierli, Rapperswil, geschaffen. An den Volutenkonsolen sind ein Engelkopf, ein Löwenkopf und die Uznacher Rose ausgemeisselt. In unmittelbarer Nähe von Schmerikon wird heute noch Sandstein gebrochen, bekannt unter dem Namen Bollinger Sandstein.

Taufsteine

Pfarrkirche St. Pankraz, Bad Ragaz: Ein Juwel dieser Kirche ist der achteckige Taufstein mit Balusterfuss aus schwarzem, weiss geadertem, einheimischem Marmor (Kalkstein), datiert 1684.

Weitere Taufsteine aus einheimischem Marmor befinden sich in den Kirchen St. Oswald und Cassian in Sargans, St. Maria Assumpta in Pfäfers usw.

Bild: Beat Moser

Wappen und Grabplatten

Ältestes Wappen der Gemeinde Mels: Das älteste erhaltene Wappen der Gemeinde Mels (zwei gekreuzte Schlüssel) mit der Jahreszahl 1678 und einer späteren von 1774 befindet sich heute im Rathaus (Gebäude Steueramt). Das Wappen ist aus Quintnerkalk. Eine Kopie dieses Wappens, 1983 realisiert durch Sepp Azzola, ist beim Wegkreuz an der Strasse Mels–Sargans zu besichtigen.

Wappenstein am Klostergebäude, Pfäfers: Der sehr gut erhaltene Wappenstein von 1685 befindet sich an der westlichen Aussenmauer des Klostergebäudes. Gut erkennbar ist im Wappen die Taube mit dem Holzspan im Schnabel. Gemäss Legende verletzte sich ein Arbeiter beim Zuschneiden des Holzes für den Klosterbau. Eine weisse Taube pickte einen blutdurchtränkten Holzspan auf und flog mit diesem fort. Die Männer folgten der Taube, welche den Span am heutigen Klosterstandort fallen liess. Der heilige Pirmin deutete dies als göttliches Zeichen und liess hier das Kloster erbauen.

Weitere interessante Wappen aus Sarganser respektive Ragazer Marmor finden Interessierte an folgenden Orten: oberhalb Eingang zum Restaurant Äbtestube/Bad Ragaz, an der Aussenwand der Pfarrkirche St. Pankraz/Bad Ragaz, im Innern der Pfarrkirche St. Oswald und Cassian/Sargans, beim Eingang der Pfarrkirche St. Peter und Paul/Mels usw.

Grabplatte der Grafen von Werdenberg-Sargans, Pfarrkirche St. Oswald und Cassian, Sargans: «Hier liegen die Gebeine der hochedlen Grafen von Montfort-Werdenberg-Sargans. Sie lebten auf dem Schloss Sargans im 13. bis 15. Jahrhundert, deren letzter Graf Jörg anno 1504 mit Helm, Schild und Schwert auch hier bestattet wurde. Die Grafen waren Stifter der St.-Maria- und St.-Matthäus-Pfrund und deren Altären.»

Die Grabplatte aus grauem Sandstein der ehemaligen Gruft der Grafen stammt aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die Platte zeigt in starkem Relief das gräfliche Wappen (Kirchenfahne), dessen Stil auf die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts weist. 

Der gewölbte und seitlich stark ausgebogene, schrägrechts gelehnte Dreiecksschild ist von einem schwebenden Topfhelm überhöht. Dieser ist mit einer zweizipfligen Mütze überzogen, die mit der Helmdecke ein Ganzes bildet und das in der Heraldik als «Beutelstand» bekannte Helmkleinod der Grafen von Werdenberg-Sargans bildet. Weitere imposante Grabplatten aus Sandstein sind in der Kirche St. Justus, Flums, zu besichtigen.

Menschen- und Tierköpfe

Stifts- und Pfarrkirche St. Sebastian, Schänis: Für die Besucherinnen und Besucher der Pfarrkirche von Schänis sind die vielen Menschen- und Tierköpfe aus Sandstein in der Krypta und der Marienkapelle besonders faszinierend. Die in die Kryptawände eingelassenen Konsolen und Zwickelfüllungen mit ausdrucksstarken Menschen- und Tierköpfen stammen aus dem 12. Jahrhundert: Menschenkopf mit Krone und Widderkopf aus Sandstein. 

Neben den zahlreichen Menschen- und Tierdarstellungen ist auch folgende Szene aus dem 12. Jahrhundert sehenswert: Zwei barhäuptige Ritter mit typischen dreieckigen Schildern kämpfen mit eingelegten Lanzen gegeneinander. Diese Darstellung eines Zweikampfes im Turnier deutet den Zugang des Stiftes Schänis zur adligen Welt an.

Hauptportal der Pfarrkirche St. Maria Assumpta, Pfäfers: Das Löwenkopf-Relief aus Kalkstein am Hauptportal der Pfarrkirche von Pfäfers steht in der Nachfolge der mittelalterlichen Löwen und ist gleichzeitig als Wächter und als Unheil abwehrendes Symbol zu deuten. Das Prunkportal wurde 1692 vom Bildhauer Peter Brun aus Ragaz geschaffen.

Einzigartig und langlebig

Stein ist von Natur aus einzigartig. Kunstwerke aus Stein sind dauerhaft und somit langlebig. Aufgrund dieser vorzüglichen Eigenschaften weisen alle besuchten Kunstwerke einen sehr hohen qualitativen Stand auf. Faszinierend ist, dass bestimmte Rohstoffe wie zum Beispiel Sandstein und Verrucano für zu schaffende Kunstwerke auch heute noch in nächster Nähe zur Verfügung stehen.

«Terra plana» – die Zeitschrift für Kultur, Geschichte, Tourismus und Wirtschaft Bild: Terra plana

Quellen und Literatur

Rothenhäusler, Erwin: Die Kunstdenkmäler des Kantons St. Gallen, Band 1: Der Bezirk Sargans, 1951.
Anderes, Bernhard: Die Kunstdenkmäler des Kantons St. Gallen, Band 4: Der Seebezirk, 1966.
Anderes, Bernhard: Die Kunstdenkmäler des Kantons St. Gallen, Band 5: Der Bezirk Gaster, 1970.
De Quervain, Francis: Steine schweizerischer Kunstdenkmäler, Manesse Verlag Zürich, 1979.
Imper, David: Gesteine, Rohstoffgewinnung und Steinverarbeitung im Sarganserland, Minaria Helvetica, 1996.
Schweizerische geotechnische Kommission: Die mineralischen Rohstoffe der Schweiz, 1997.
Flury-Rova, Moritz: Die Stifts- und Pfarrkirche
§St. Sebastian in Schänis, Schweizerischer Kunstführer, 2006.
Huber, Johannes: Die Gotteshäuser von Pfäfers, Katholisches Pfarramt Pfäfers, 2012.

Beat Moser/sardona24