Um kurz nach 7 Uhr erhält einer der Köpfe der Aktion, Dennis Claes, die Nachricht, dass der Bus aus der Ukraine bald im Zentrum Neu-Schönstatt ankommen wird. Und etwas mehr als eine Stunde später ist das schliesslich auch der Fall: Nach einer anstrengenden, rund 16 Stunden dauernden Fahrt sind gestern Sonntagmorgen 48 ukrainische Frauen und Kinder, Babys sowie ein Mann im Rollstuhl nach Quarten ins Zentrum Neu-Schönstatt gebracht worden. Es ist bereits der zweite Transport, den Mario Delvecchio, Generalsekretär des 1956 in Bern gegründeten Ambassador Clubs International, in dieser Form lanciert hat.
Die Busse fahren von Lwiw aus los – eine Stadt im Westen der Ukraine, in der Russland bisher Raketen «nur» auf einen Militärstützpunkt abgefeuert hat. Anders als in den heftig bombardierten und grossflächig zerstörten Städten, aus denen die ukrainischen Frauen mit ihren Kindern ursprünglich geflüchtet sind: Sie stammen aus Mariupol, Charkiw oder der Hauptstadt Kiew. Von dort aus sind sie in den meisten Fällen mit freiwilligen Helfern – Ukrainern selbst – nach Lwiw gelangt. Nächste Woche sollen mithilfe des Ambassador Clubs International weitere Ukrainerinnen und Ukrainer nach Lugano gebracht werden, so Delvecchio.
Aus dem Schutzkeller an einen schönen Ort
Für die vorübergehende Unterbringung im «Neu-Schönstatt» und die anschliessende Verteilung der Frauen und Kinder in private Unterkünfte, in denen sie längere Zeit bleiben und nach der aufwühlenden Flucht etwas zur Ruhe kommen können, ist Claes verantwortlich. Er hat auch dafür gesorgt, dass an diesem Morgen alles bereitsteht für die ankommenden Personen. Der gebürtige Belgier wohnt mit seiner Familie in Amden und verfügt aufgrund seines Engagements bei diversen Organisationen über ein riesiges Netzwerk, von dem er in Situationen wie diesen auf physische wie auch finanzielle Unterstützung zählen kann. Das Zentrum Neu-Schönstatt ist ihm durch seine eigene frühere Tätigkeit als Leiter Rezeption gut bekannt.
Dass die Aktion nicht mit dem Kanton St. Gallen koordiniert und die Ukrainerinnen und Ukrainer nicht zuerst in das Bundesasylzentrum nach Altstätten gebracht worden sind (siehe auch Kasten), erklärt Claes mit einfachen Worten: «Die Flüchtlinge mussten tage- und nächtelang in einem Schutzkeller in der Ukraine ausharren – sie sollen nun zuerst an einen schönen Ort kommen, an dem sie sich wohlfühlen können.» Die Ankunft der Flüchtlinge sei jedoch bei der Gemeinde wie auch dem Kanton angekündigt worden.
Weiterreise zur Gastfamilie
Doch nicht alle der Ankömmlinge beziehen einen Schlafplatz im «Neu-Schönstatt» – für die ersten Personen geht es nach der kurzen Verpflegungspause gleich weiter nach Bern, andere werden später an diesem Tag nach Deutschland aufbrechen. Für die dann noch verbleibenden Flüchtlinge ist Claes dabei, passende Unterkünfte bei Privatpersonen zu finden. Nicht immer, aber sehr oft ist seine Kontaktaufnahme erfolgreich: Per Videochat kommuniziert er mit den potenziellen Gastgeberinnen und Gastgebern, vermittelt ihnen nochmals kurz die wichtigsten Informationen und stellt ihnen auch ihre zukünftigen Gäste vor.
Die Vermittlung ist eine sehr emotionale Angelegenheit, bei der nicht nur Freude, sondern manchmal auch Verzweiflung und Enttäuschung mitspielen – auch in diesem Moment hoffen beispielsweise eine Tochter, Mutter und Grossmutter, ebenfalls bald eine positive Nachricht zu erhalten. Für sie einen Platz zu finden, gestaltet sich allerdings etwas schwieriger, da die älteste der drei Frauen nicht mehr gut zu Fuss ist und keine Treppen steigen kann.
In den Gesprächen betont Claes immer wieder, dass die Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen auch mit einer gewissen Verantwortung und zeitlichem Aufwand verbunden ist, ausserdem stellt er sicher, dass die Abholung in Quarten funktioniert.