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26.04.2022

Ein offenes Ohr für die Jugend

Am Berufsschulzentrum Buchs: Rektor Beni Heeb und Schulsozialarbeiterin Kosovare Kryeziu im Gespräch.
Am Berufsschulzentrum Buchs: Rektor Beni Heeb und Schulsozialarbeiterin Kosovare Kryeziu im Gespräch. Bild: Esther Wyss
Der Kirchliche Sozialdienst bietet Jugendlichen in belastenden Situationen einen geschützten Raum und Hilfe bei der Problemlösung.

Lernende, Schülerinnen und Schüler, welche den Berufsfachschulunterricht, ein Brückenangebot oder eine Berufsmaturitätsschule im Kanton St. Gallen besuchen, haben bei Bedarf Anspruch auf eine Beratung beim Schulsozialdienst. Der Kirchliche Sozialdienst (KSD) ist ein niederschwelliges Beratungsangebot der Berufs- und Weiterbildungszentren Buchs (bzb) und Sarganserland (BZSL) für Lernende, Schülerinnen, Schüler, Eltern, Bezugspersonen, Ausbildnerinnen und Ausbildner und Lehrpersonen, freiwillig und kostenlos.

Ziel der Schulsozialarbeit (SSA) ist es, bei auftretenden Problemen und Krisensituationen Lösungen zu entwickeln und junge Menschen zu stärken, sodass sie die Herausforderungen, die im Übergang von der Schulzeit ins Berufsleben an sie gestellt werden, meistern können. Im Gespräch beantwortet die Leiterin des Kirchlichen Sozialdienstes, Kosovare Kryeziu, Fragen rund um den Schulsozialdienst an den Berufs- und Weiterbildungszentren Buchs und Sarganserland.

 

Frau Kryeziu, was sind für Sie die wichtigsten Grundsätze der Schulsozialarbeit?

KOSOVARE KRYEZIU: Ich unterstütze junge Erwachsene in ihrer Entwicklung in der oft krisenbehafteten Lebensphase während des Überganges von der Schulzeit in den Arbeitsprozess. Ich versuche, zu den Hilfesuchenden ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, und dafür braucht es gute Beziehungen. Für mich sind deshalb Schweigepflicht und die Freiwilligkeit die wichtigsten Grundsätze der SSA. Wenn die jungen Menschen in die Beratung kommen müssten, dann wären die Veränderungsprozesse, die wir in einer problematischen Situation anstreben, nicht dieselben.

 

Braucht es die Schulsozialarbeit?

Nach meiner Erfahrung ist es extrem wichtig, dass es dieses Angebot gibt, dass es im Schulhaus eine neutrale Bezugsperson gibt, die die jungen Menschen nicht aufgrund ihrer Leistungen beurteilt und bewertet. Bei mir im Büro, dessen Türe oft einen Spalt breit offensteht, finden sie einen geschützten Raum. Ich nehme mir Zeit, ihnen zuzuhören, und nehme ihre Anliegen sehr ernst. Es ist der einzige Raum, in dem es nur um ihre Anliegen geht und nicht um Leistungen und Erwartungen, die erfüllt werden müssen. 

 

Wenn es Schwierigkeiten gibt, wären da nicht die Eltern, die Lehrperson oder sonst eine Bezugsperson aus dem nahen Umfeld erste Anlaufstelle?

Ich bin eine neutrale Fachperson
mit der nötigen Distanz, habe Verständnis für die auftretenden Schwierigkeiten, die ich sehr ernst nehme und urteile nicht. Dies hilft womöglich, sich zu öffnen. Oft höre ich den Satz, dass sie niemanden enttäuschen möchten. Ich ordne die auftretenden Probleme ein und zeige mögliche Lösungswege auf.

Wie muss man sich eine Beratung vorstellen? Und wie lange dauert eine Beratung in der Regel?

Es gibt verschiedene Themen, die die Jugendlichen beschäftigen. Manchmal sind es Beziehungsprobleme, Probleme im Lehrbetrieb, Schwierigkeiten in der Schule, Zoff mit den Eltern, Liebeskummer, Mobbing. Ein Erstgespräch dauert in der Regel eine bis eineinhalb Stunden. Die Dauer und die Anzahl der Sitzungen sind sehr unterschiedlich, je nach Themenbereich und Unterstützungsbedarf. Erst höre ich mir das Anliegen an, versuche das Problem einzuordnen, dann sammeln wir gemeinsam Ressourcen, formulieren Ziele und aktivieren, wenn nötig ein Helfernetz. Nach mehreren Besprechungen sollten die Lernenden die Gelegenheit erhalten, wieder selbstständig zu handeln. Braucht es weitere Unterstützung und/oder spezifisches Fachwissen, informiere ich die Jugendlichen über andere Fachstellen, wo sich sie sich zusätzliche Unterstützung holen können.

 

Werden unter gewissen Umständen Eltern oder Lehrpersonen in die Beratung mit einbezogen? Wenn ja, widerspricht das nicht dem angestrebten Vertrauensverhältnis?

Ich erkläre den Hilfesuchenden meine Rolle und die gesetzlichen Vorgaben, an die ich mich in heiklen Situationen halten muss. Und wenn es sinnvoll ist und ich die Einwilligung der Jugendlichen habe, organisiere ich auch Gespräche mit Eltern, Bezugspersonen, Ausbildnerinnen, Ausbildnern oder Lehrpersonen. Vor einem Gespräch kläre ich mit den Jugendlichen ab, ob es etwas gibt, was ich nicht erzählen darf. Manchmal erlebe ich, dass Ausbildnerinnen, Ausbildner oder Menschen aus dem Umfeld weit entfernt sind von der Lebenswelt der Jugendlichen. In einer angespannten Situation können solche Gespräche eine Entlastung für beide Parteien bringen und oft gelingt es den Beteiligten, die Perspektive zu wechseln.

 

Wie und woher erfahren die Lernenden, dass es den Kirchlichen Sozialdienst gibt?

Ich besuche alle ersten Klassen im ersten Schulsemester, erkläre ihnen das Angebot des KSD und spreche bereits verschiedene Themen an. Dazu verteile ich auch Flyer mit allen wichtigen Angaben. Es finden Informationsabende statt, in denen die Eltern und Betriebe über das Angebot informiert werden. Der Sozialdienst kann während der Schulzeit niederschwellig aufgesucht werden, da genügt nur eine kurze Info an die Lehrpersonen, damit keine unentschuldigte Absenz erfasst wird. – Für mich ist es ganz wichtig, dass die Lernenden sich früh genug Unterstützung holen, um aus einer belastenden Situation herauszukommen und nicht warten, bis es brennt.

www.bzsl.ch, www.bzbuchs.ch,
www.aha.li, www.familienportal.li

mit Kosovare Kryeziu sprach Esther Wyss