Ein Blick auf die Stadtkarte St.Gallens zeigt eine grosse Vielfalt an Lebensräumen. Sie reicht von unberührten Wäldern und Tobeln über Weiher, Gärten und Pärke bis hin zu Brachen. Aber auch Beton- und Asphaltwüsten gehören zum Stadtgebiet. Je nach Ausgestaltung finden sich in diesen Lebensräumen unterschiedliche ökologische Nischen für zahlreiche Tiere, Pflanzen, Pilze und Flechten. Wie viele andere Städte kann es die Stadt St.Gallen hinsichtlich der Artenvielfalt durchaus mit den umliegenden Grünräumen aufnehmen.
Oft unbemerkt, aber mitten unter uns
Die neue Sonderausstellung folgt den Spuren der Stadtnatur und präsentiert diese in fünf Modulen, szenografisch in einem abstrahierten Stadtbild eingebettet. Darin ist viel zu entdecken: eine Hauswinkelspinne im Kellerabteil, eine Wanderratte im Kanalrohr oder ein Reh auf dem Friedhof. Das erste Modul «Vom Urwald zum Klostergarten zur Stadtwildnis» beleuchtet die Geschichte der Stadt St.Gallen und ihre Beziehung zur Natur: aus einem Urwald wird eine stetig grösser werdende Kloster- und spätere Textilstadt mit zunehmend versiegelten Flächen und abnehmender Artenvielfalt.
In der jüngsten Stadtentwicklung beginnt sich aber eine Trendumkehr abzuzeichnen, die Vision einer Stadtwildnis mit angenehmen Lebensbedingungen für Mensch und Tier entsteht. Die Nähe zum Menschen hat auch Vorteile, wie das zweite Modul «Urbanes Wohnen für Mensch und Tier» zeigt. Gebäude, Mauern und andere künstliche Strukturen bieten erstaunlich vielen Tieren Platz für den Nestbau, Möglichkeiten zur Jagd oder dienen als Versteck. Im Zentrum dieses Moduls steht die Frage: «Wer wohnt wo und welche Arten können mit künstlichen Nisthilfen zusätzlich unterstützt werden?».
Das dritte Modul «Oasen im Stadtlabyrinth» fokussiert auf die Stadtnatur in Pärken, Gärten und Friedhöfen, die sich zu richtigen «Hotspots» der städtischen Biodiversität entwickelt haben. Teil eines solchen «Hotspots» kann ein Moospolster sein, das pro Quadratmeter bis zu 60'000 Kleintiere wie Bärtierchen, Milben oder Spinnen beherbergt. Manchmal führt die gemeinsame Nutzung von Lebensräumen durch Mensch und Tier auch zu Überraschungen: Zum Beispiel auf Friedhöfen, wenn Rehe mit einer Vorliebe für Rosenknospen an Grabsträussen knabbern.
Wo es sich aus dem Weg gehen lässt
Weniger Überschneidungen zwischen Mensch und Tier entstehen an den Rändern des Stadtgebietes, wo das vierte Modul «Wilde Orte St.Gallens» hinführt. Es befasst sich mit den vom Menschen oft als Naherholungsgebiet bezeichneten naturnahen Räumen wie Drei Weieren, Freudenberg oder Sittertobel. Vier St.Galler geben hier Einblicke in ihren «Wilden Ort» der Stadt. Die tierischen Bewohner der Randgebiete gehen dem Menschen gerne aus dem Weg und sind von ihm weniger abhängig als im Stadtzentrum.
Zu ihnen gehören die Gämse, der Eisvogel oder auch die Gelbbauchunke. Einen Blick auf die laufenden Veränderungen der Stadtnatur wirft das letzte Modul «In stetigem Wandel». Zu diesen gehören einerseits zyklische Veränderungen wie der Wechsel von Tag und Nacht oder die Abfolge der Jahreszeiten. Andererseits werden auch langfristige Veränderungen wie der Klimawandel oder neu eingewanderte oder eingeschleppte Tiere und Pflanzen thematisiert.