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Ostschweiz
21.06.2022

Chur: Aktion gegen das Sterben und Töten

Stoffstreifen mit Namen von Verstorbenen flattern im Wind vor der Martinskirche in Chur.
Stoffstreifen mit Namen von Verstorbenen flattern im Wind vor der Martinskirche in Chur. Bild: Samuel Schindler
24 Stunden Namen lesen und schreiben von Menschen, die auf der Flucht nach Europa gestorben sind – das taten am vergangenen Wochenende anlässlich des Flüchtlingstags über hundert Personen während der von Amnesty International Chur und den Bündner Landeskirchen organisierten Aktion "Beim Namen nennen“. Kulturschaffende begleiteten die Aktion in der Martinskirche in Chur.

Unter den Kulturschaffenden war auch Mokthar Etemadi, ein afghanischer Jugendlicher, der eben die Lehre als Elektromonteur abgeschlossen und am diesjährigen Flüchtlingstag einen Rap in der Kirche vorgespielt hatte. Vor sechs Jahren ist der heute 20-Jährige aus Afghanistan geflüchtet. Auch die Kurdin Nuran Atler, die ehemalige Bürgermeisterin der türkischen Stadt Mardin, die mit ihren beiden Kindern von einem Tag auf den anderen flüchten musste, wie sie in einem bewegenden Interview vor der Martinskirche erzählte. Beide überlebten die gefährliche Flucht durch Glück. Beide sind dankbar, dass ihre Namen nicht auf den Tausenden Stoffstreifen stehen, die Freiwillige aufgeschrieben und rund um die Martinskirche aufgehängt haben – in Gedenken an die Toten.

Bild: Samuel Schindler

Alexandra Karle, Geschäftsführerin von Amnesty International Schweiz, eröffnete die Aktion in Chur mit den Worten: „Als ich die Liste mit den ersten einhundert Namen las, die mir die Veranstalterinnen unserer Aktion vor einer Weile zugeschickt haben, musste ich weinen.“ Das Jahr 2022, so hoffe sie, könne einen Wendepunkt markieren für eine gerechtere Asyl- und Migrationspolitik. Während Fluchthelferinnen und Fluchthelfer nach Ausbruch des Ukrainekrieges sofort an die Grenzen gereist sind, um traumatisierte Kriegsflüchtlingen zu helfen, stehen Menschen in Italien und Griechenland vor Gericht, weil sie Geflüchteten in Seenot geholfen haben. Sie forderte einen neuen Anlauf beim Schutzstatus S, der für alle Geflüchteten gelten sollte und kein „vorläufig“ enthält, wie der Status der „vorläufigen Aufnahme“, den ein Grossteil der Geflüchteten in Graubünden erhält.

Bild: Samuel Schindler

Fast 50'000 Menschen sind seit 1993 beim Versuch, nach Europa zu flüchten, umgekommen. Tragödien, die zu verhindern wären, sagte der Pfarrer der Churer Martinskirche, Robert Naefgen, in der Predigt zum Abschluss der Aktion. Das Verlesen der Namen, so Naefgen, sei ein Gedenken an „die, die waren“ und ein Erinnern gegen das Vergessen an die „die noch sind.“

Pressedienst