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Vilters-Wangs
05.07.2022

Mehr als nur ein Lieferdienst

Zufriedene Kundschaft: Tinner liefert das Essen bis am Mittag an die Haustüren, was sehr geschätzt wird.
Zufriedene Kundschaft: Tinner liefert das Essen bis am Mittag an die Haustüren, was sehr geschätzt wird. Bild: Patricia Hobi
Mahlzeitendienste gibt es in jeder Sarganserländer Gemeinde. In Vilters-Wangs wird das Essen von freiwilligen Lieferantinnen und Lieferanten sieben Tage die Woche mittags ausgeliefert. Warum dieser Dienst mehr bedeutet, als es auf den ersten Blick den Anschein macht, zeigt das Begleiten von Lieferant Christian Tinner.

Es ist 10.30 Uhr am ersten Sommertag des Jahres. Christian Tinner muss los. Mit seinem kleinen, hellgelben Elektroauto fährt er von Vilters die wenigen Minuten nach Wangs zum Alters- und Pflegeheim Haus am Bach. Der 65-jährige Vilterser hat diese Woche Mahlzeiten-Lieferdienst. Das heisst, er liefert von Montag bis Sonntag jeden Mittag die bestellten Essen direkt zu den Einwohnerinnen und Einwohnern der Gemeinde Vilters-Wangs.

Ein Mahlzeitendienst wird in allen Gemeinden des Sarganserlandes angeboten (siehe Box). In Vilters-Wangs ist seit dem Jahr 2000 das gemeindeeigene «Haus am Bach» dafür zuständig, welches auch die Kinder vom Mittagstisch mit ausgewogenen Gerichten versorgt. Jedes Wochenende wird der neue Menüplan, der sogleich jener der Heimbewohnerinnen und -bewohner ist, auf der Website der Gemeinde publiziert und den Klientinnen und Klienten jeweils am Samstag mit dem bestellten Essen mitgeliefert.

Ein Angebot für jedes Alter

Als Christian Tinner den Hintereingang des «Haus am Bach» betritt, sind in der Küche Koch Thomas Kalberer und die Lernende Simone Kalberer bereits in ihrem Element. Heute gibt es gebratenes Schweineschnitzel an einer Gemüsesauce mit Trockenreis, für Vegetarier einen garnierten Reissalat und als Wochenhit fein geschnittenes Siedfleisch an einer Vinaigrettesauce und Parmesanflocken. Dazu eine Buchstabensuppe und Salat sowie Aprikosen zum Dessert. Die Geschirre mit den frisch gekochten Menüs werden in Warmhalteboxen gepackt und für Tinner zur Abholung bereitgestellt.

Heute beliefert der Pensionär in Vilters-Wangs 14 Personen. Die Anzahl Bestellungen pro Tag liegt jeweils zwischen zwölf und 20. «Gerade in der Coronazeit hat die Nachfrage zugenommen, nun sind es wieder etwas weniger», so Tinner. Gedacht ist das preiswerte Angebot für all jene, die selber nicht mehr oder aktuell nicht – beispielsweise wegen eines Unfalls – kochen können beziehungsweise nicht wollen und sich dennoch gesund, ausgewogen und abwechslungsreich ernähren möchten. Es gibt Seniorinnen und Senioren, die den Dienst für jeden Tag bestellen, andere lassen sich beispielsweise das Wochenende frei, weil dann die Angehörigen für das Essen sorgen oder sie flexibel sein möchten.

Freiwilliges Engagement

Tinner, der sich vor rund vier Jahren hat frühpensionieren lassen und bis dahin als Elektriker tätig war, ordnet die Warmhalteboxen und packt sie in seinen Wagen. Sein Auto ist übrigens einer der Gründe, warum er sich als Lieferant für den Mahlzeitendienst gemeldet hat. «So kann ich regelmässig mein Elektroauto in Bewegung halten», erklärt er. Für die ersten drei Lieferungen braucht er das Auto aber nicht: Diese trägt er direkt zu den Alterswohnungen neben dem «Haus am Bach». Die Besuche bei den Bewohnenden zeigen: Die Kundschaft kennt Tinner, freut sich, ihn zu sehen, wechselt ein paar Worte, je nachdem, wie gesprächsfreudig man ist. Tinner ist aufgestellt, macht Witze und nimmt sich ein paar Minuten für ein Gespräch. Allzu viel Zeit hat er aber nicht – schliesslich möchten alle Kunden bis am Mittag die Box zu Hause haben.

Der Vilterser wurde in einem Gespräch mit «Haus am Bach»-Chefkoch Marco Lutz für die Aufgabe angefragt. Nebst ihm sind drei weitere freiwillige Lieferantinnen und Lieferanten im Einsatz, die Autospesen werden ihnen vergütet. Sie wechseln sich alle vier Wochen ab; wenn man verhindert ist, wird eingesprungen. Auf die Frage, welche Voraussetzungen für den Job nötig sind, antwortet Tinner: «Man muss gerne Auto fahren, Ortskenntnisse sind auch nicht schlecht – und natürlich muss man die Zeit dazu haben.»

Zufriedene Kundschaft

Nach der Lieferung in den Alterswohnungen geht die Tour los, zuerst nach Vilters, dann nach Wangs. Elf Stationen fährt Tinner ab. Er kennt Schleichwege und die Kunden, weiss, wie «zwäg» sie sind, und nimmt sich bei Bedarf Zeit für einen Schwatz. Der Service und der Kontakt werden von der Kundschaft geschätzt, und so halten sie sich mit Komplimenten nicht zurück. Sie seien sehr zufrieden mit dem Dienst und das Essen schmecke ihnen sehr.

Die Wertschätzung freut Tinner. In der Pension etwas zurückgeben, den Kontakt mit Mitmenschen pflegen und einer sinnvollen Aufgabe nachgehen sind die Beweggründe für den Einsatz. «Die Menschen sind auf unser zuverlässiges Liefern angewiesen», betont er. Nicht zu vergessen ist die soziale Bedeutung, spielt doch Einsamkeit gerade bei Seniorinnen und Senioren eine Rolle. So ist nicht ausgeschlossen, dass die Lieferanten teilweise die einzigen Kontakte sind, die die Bezüger an einem Tag haben.

Die Bedeutung der Dienstleistung unterstreicht Chefkoch Lutz: «Durch den Lieferdienst haben die Menschen die Möglichkeit, länger zu Hause zu bleiben.» Das sei immer mehr ein Bedürfnis, was sich auch in der steigenden Tendenz der Nachfrage widerspiegle.

Ein feines Mittagessen

Nachdem alle Menüs geliefert worden sind, bringt Tinner die leeren Warmhalteboxen von den Vortagen ins «Haus am Bach» zurück. Dort stehen die drei Menüs bereit, die er für seine Frau, sich und die Redaktorin zur Degustation bestellt hat – einmal das Schweineschnitzel, einmal den Reissalat und einmal das Siedfleisch mit Vor- und Nachspeisen. Das Mittagessen mundet – so wie es die Seniorinnen und Senioren vorausgesagt haben.

Mahlzeitendienste im Sarganserland

Im Sarganserland haben alle Einwohnerinnen und Einwohner die Möglichkeit, Essen vom Mahlzeitendienst zu beziehen. In den Gemeinden Bad Ragaz und Vilters--Wangs wird der Lieferdienst von den Gemeinden organisiert, in Mels vom Pflegezentrum Sarganserland. In den Gemeinden Quarten, Walen-stadt, Flums, Sargans und Pfäfers ist die Pro Senectute dafür zuständig. Interessierte können sich via Nummer 058 750 09 00 für Neubestellungen melden. Wie Petra Weber-Beng, Leitung Hilfe und Betreuung zu Hause, mitteilt, hatte die Pro Senectute im letzten Jahr für das Sarganser-land rund 300 Bestellungen pro Monat und insgesamt rund 250 Klientinnen und Klienten beliefert. Diese benötigen den Dienst laut Weber aus verschiedenen Gründen: unter anderem kurzfristig nach einem Spitalaufenthalt, bis sie das Kochen wieder übernehmen können, weil sich ihre Gesundheit verschlechtert hat, wenn die Kräfte nachlassen, sich Demenz entwickelt, sie antriebslos sind, sich mangelhaft ernähren, die Mobilität abnimmt und so weiter. Mit dem Dienst erhalten die Kunden mindestens einmal täglich eine Mahlzeitenbox mit einem warmen, frisch gekochten Menü. (pat)

Patricia Hobi/sardona24