Beni Heeb kennt das bzb von allen Seiten. Mehr noch: während vielen Jahren hat er die Schule geprägt. Ende des Schuljahres tritt er in den Ruhestand. Beni Heeb blickt auf eine bewegte Zeit zurück, in der sich nicht nur am bzb, sondern in der gesamten Berufsbildungs-Landschaft vieles verändert hat.
Vor bald 50 Jahren besuchten Sie als Lehrling die Berufsfachschule Buchs. Was ist hängengeblieben?
«In der Berufsfachschule ist bei mir die Freude am Lernen geweckt worden. Dass man lernen muss um Erfolg zu haben, war damals eine neue Erfahrung für mich. Die Verknüpfung von Theorie und Praxis hat mich fasziniert. Beeindruckt war ich auch vom damals sehr modernen bzb. Das Gebäude war vierjährig.»
Zu Beginn ihrer Berufstätigkeit haben Sie eine Handwerkerlehre gemacht. Wie hat Sie das geprägt?
«Die Erfahrungen, die ich auf dem Bau gemacht habe, waren immer nützlich, zum Beispiel um Klartext zu reden. Gezehrt habe ich auch von der Entscheidungsfreudigkeit, die es ja nicht nur auf dem Bau braucht. Die Bauerfahrungen - egal ob als Maurer oder Architekt - haben mich gelehrt, das Einfache zu schätzen. Und sie haben mir gezeigt, wie wichtig eine langfristige Planung ist.»
Wo sind die grossen Unterschiede von Ihrer Anfangszeit als Berufsfachschullehrer zu heute?
«Vieles ist gleichgeblieben. Die persönlichen Herausforderungen sind mehr oder weniger die gleichen. Viele Jugendliche sind heute ähnlich motiviert wie wir damals. Natürlich sind die die gesellschaftlichen Veränderungen spürbar. Heute haben die jungen Menschen viel mehr Angebote in Freizeit und Bildung. Die grossen Veränderungen in der Schule beziehen sich auf die Unterrichtstechnologie und die Mediendidaktik. Damals kamen die Fotokopierer auf. Die Möglichkeiten der IT waren erst am Horizont erkennbar.»
Es gibt ja immer auch Veränderungen, die fast aus heiterem Himmel angestossen werden, trifft das auch für das bzb zu?
«Corona war so ein Ereignis. Es wird eine Zeit geben vor und nach Covid. Der Lockdown hatte grosse Auswirkungen. Es wird seither viel mehr virtuell gearbeitet. Wir waren bereits vor dem Lockdown bereit für diese Umstellungen. Diese Vorbereitung ist uns sehr zugute gekommen, ebenfalls dass wir viel in die Lehrerweiterbildung investiert haben. «Neues Lehren und Lernen» haben wir gut umgesetzt. Wir müssen aber aufpassen, dass die persönlichen Kontakte weiterhin gepflegt werden.»
Was können die heutigen Lernenden, was die Lernenden vor 30 Jahren noch nicht konnten?
«Heute haben die Lernenden eine starke Auftretens-Kompetenz. Da ist viel passiert. Zum Teil sind sie heute auch mutiger, etwas anzupacken. Andererseits fehlt oft auch der Biss, etwas wirklich durchzuziehen. Mir fällt auch auf, dass die Lernenden weniger gut schreiben wie früher und vor allem, dass viele keine persönliche Handschrift haben.»
Wie haben sich Erwartungen der Lernenden verändert
«Die heutigen Lernenden lassen sich gerne bedienen und gehen oft den Weg des geringsten Widerstandes. Das ist die eine Seite, die andere: Die Erwartung ist gross, etwas zu lernen. Sie wollen für den späteren Berufs- und Lebensweg etwas mitnehmen. Für den Schulbetrieb ist dies eine gute Voraussetzung.»
Und die Herausforderungen für die Lehrpersonen?
«Die Lehrpersonen haben hohe Ansprüche. Sie orientieren sich am Idealbild des Lehrens und Lernens. Die Lehrperson ist einerseits Allrounder, andererseits Spezialist. Das kann ein Spagat sein. Im Gegensatz zu früher unterrichtet die einzelne Lehrperson nicht mehr alle Fächer der entsprechenden Fachrichtung. Die hohen Erwartungen der Lernenden, vor allem im Bereich Sozial-, Medien- und IT-Kompetenz, stellen eine weitere Herausforderung dar.»
Kommt in der Ausbildung etwas zu kurz?
«Zum Beispiel Englisch, da kommt im Alltags- und Berufsleben einfach nicht drum herum. Jeder Lehrling müsste eigentlich eine Lektion Englisch haben. So weit sind wir noch nicht.»
Welche Erwartungen müssen Berufsleute in Zukunft erfüllen?
«Bei den bisherigen Erwartungen waren Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit wichtig. Das bleibt weiterhin so. Neu kommt die Mobilität dazu. Einerseits, dass man das Berufsfeld öffnet, andererseits geografisch. Dass man zum Beispiel für drei Monate ins Ausland geht. Ich habe auch die Erwartung an die jungen Berufsleute, dass sie neugierig sind und bleiben. Dass sie sich interessieren was läuft, was Neues kommt. Und ganz speziell auch, dass sie Verantwortung übernehmen und 100prozentigen Einsatz an den Tag legen.»
Hat es in der Entwicklung der Berufsfachschullandschaft offensichtliche Sackgassen gegeben?
«Wir haben in vielen Bereichen eine starke Reglementierung, ja fast schon eine Überreglementierung. Da muss man aufpassen, dass dies nicht zur Sackgasse wird. Es ist immer gefährlich, wenn man zu lange am Bestehenden festhält. Es braucht Mut, Altes über Bord zu werfen. Sackgassen entstehen auch, wenn Investitionen in die Infrastruktur vernachlässigt werden. Das kommt immer teurer.»
Wie hat sich Zusammenarbeit entwickelt, mit den Betrieben, Berufsverbänden, Familien?
«Sehr positiv. Unsere ersten Ansprechpartner sind die Betriebe. Austausch und Zusammenarbeit funktionieren sehr gut. Die Eltern sind für uns eher weiter weg.»
Erwartungen der Politik und der Wirtschaft an die Berufsfachschulen
«Die Erwartungen sind hoch und gegenseitig. Einerseits wird erwartet, dass qualitativ hochstehende Berufsleute ausgebildet werden, mit all den fachlichen Kompetenzen. Aber auch, dass die jungen Leute zu mündigen, interessierten Erwachsen werden. Umgekehrt besteht die Erwartung an die Wirtschaft, dass tatsächlich ausgebildet wird. Das Modell hat sich bewährt. Wichtig ist, dass es sowohl genügend Lehrstellen gibt, als auch dass auch Schwächere aufgenommen werden und eine Ausbildungschance erhalten.»
Reagiert die Politik genügend schnell auf neue Herausforderungen?
«Oft behindert die Politik eine Entwicklung, sie kann aber auch wertvoll sein. Wichtig ist, dass der Rahmen so abgesteckt ist, dass die Schulen auch für die Lehrpersonen attraktiv sind. Das gilt nicht nur für die Löhne sondern auch für die Rahmenbedingungen. Es braucht auch genügend finanzielle Mittel für die Infrastruktur. Wenn die Schule nichts fordert, kommt auch nichts. Meistens ist die Politik ist zu träge. Deshalb ist es wichtig, dass die Schulen möglichst autonom sind. So kann die Trägheit der Politik kompensiert werden. Trotzdem gibt es Dauer-Baustellen: Die Bildung von Kompetenzzentren ist seit Jahren überfällig.»
Weiterbildung ist ein grosses Thema, wird die Schule diesem Anspruch gerecht?
«Diesem Anspruch werden wir gerecht. Bereits vor Jahren haben wir uns entschieden, dass wir die Weiterbildung des bzb auf den 18 Berufen der Grundbildung aufbauen und gleichzeitig Querschnitt-Themen wie Sprachen und IT anbieten. Die Angebote sind aufeinander abgestimmt. Wichtig ist auch die Kooperation mit Nachbarschulen und mit privaten Anbietern. Unsere Angebote werden genutzt. Ein voller Erfolg.»
Was sind die nächsten Herausforderungen?
«Zuvorderst steht die Umsetzung der Zusammenführung der Berufsschulen Buchs und Sargans. Eine weitere Herausforderung ist die Entwicklung von attraktiven Angeboten in der Grund- und Weiterbildung. Ebenfalls die Realisierung des Hightech-Campus Buchs.»
Wie sieht die Berufsfachschul-Landschaft in 20 Jahren aus
«Vieles wird hybrid stattfinden. Doch auch wenn der Unterricht weitgehend in hybrider Form erfolgen wird, bleibt die Lehrperson die wichtigste Person im Schulzimmer. Die Verantwortung des Lehrers können wir nicht an ein IT-Toolübertragen.»
Wird es noch mehr Spezialisten geben oder wird es vor allem Allrounder brauchen?
«Im klassischen Handwerk wird es vermehrt Spezialisten geben. Aber die müssen über den Zaun hinausschauen und IT-mässig aufmerksam sein. In Berufsfeldern, die sich schnell verändern, wird es immer Allrounder brauchen. Allrounder/Spezialist - das lässt sich gar nicht so scharf trennen. Der Spezialist muss immer auch die einfache Arbeit verstehen, er muss also auch Allrounder sein. Auch der Ingenieur wird vermehrt am Fliessband stehen.»
Ist es vorstellbar, dass Berufsfachschulunterricht irgendwann nur noch digital erfolgt oder dass die Lehrperson durch einen Roboter ersetzt wird?
«Gegenfrage: Wer ist der Dompteur des Lernens? (Lacht!) Um einen gewissen Druck kommen wir wohl nie herum. Jemand muss die Lernenden begleiten und fordern. Selbstorganisiertes oder begleitetes selbstorganisiertes Lernen wird die Zukunft sein. Die Lehrpersonen entwickeln sich zu Coaches oder Begleitern. Es braucht die Lehrperson aus Fleisch und Blut weiterhin.»
Was empfehlen Sie den Lehrpersonen im Umgang mit den Lernenden?
«Den Jugendlichen Kredit geben. Das kommt immer zurück. Und ganz zentral: die Schule soll immer auch Spass und Freude machen. Und schliesslich darf die Lehrperson der Wirtschaft in Sachen Berufsbildung immer auch eine Nasenlänge voraus sein.»