In einer langen Warteschlange stehend, warteten die Älpler darauf, ihren Alpkäse zur Taxation abzugeben. Bei der Abgabe wurde der Alpkäse von der Sennerin oder vom Senn halbiert und das Fabrikationsprotokoll dazu abgegeben. Jeder Alpkäse erhielt eine Laufnummer, damit die Experten den Käse nicht den Alpen zuordnen konnten. Der Käse wurde von vier Expertenteams beurteilet. Jedes Team umfasste einen Milchwirtschaftsberater, eine Praktikerin oder einen Praktiker und eine:n Konsumexpertin oder -experten aus einem Absatzkanal.
Umfassende Beurteilung
Die Expertenteams gaben jedem Käse eine Gesamtpunktzahl. Diese setzt sich aus dem äusseren Erscheinungsbild, der Lochung und Farbe des Inneren, der Konsistenz des Teiges und dem Geschmack und Geruch zusammen. Die maximale Gesamtpunktezahl liegt bei 20 Punkten. Für die Auszeichnung Gold benötigt es eine Mindestpunktzahl von 18,5, für Silber 18 und für Bronze 17,5 Punkte. Dieses System wurde dieses Jahr bereits zum vierten Mal so durchgeführt.
Tagessieg an Alp Lüsch
Von den 74 Teilnehmern konnten 13 Sennen und Sennerinnen die Auszeichnung Gold, 12 Silber und 11 Bronze mit nach Hause nehmen. Die Konsumexperten haben die Alp Lüsch aus Flerden mit den Sennen Lukas Blümmel und Christian Kofler als Tagessieger erkoren. Aus der Region Prättigau und Herrschaft stellten sich 13 Alpen dem Urteil der Expertenteams. Dabei wurden fünf Alpen aus dem Prättigau mit Gold ausgezeichnet, nämlich die folgenden Alpkäse: Alp Albeina (Saas) von Senn Gaudenz Roffler; Alp Ascharina (Ascharina) von Senn Eric Schröttenthaler; Alp Drusa (Schiers) von Sennerin Lisa Breitenberger; Alp Larein (Jenaz) von Sennerin Marlies Thöny; Alp Partnun (St. Antönien) von Senn Moritz Roggors.
Viermal Silber und Bronze
Neben den fünf goldenen Auszeichnungen kamen derer vier silberne für Alpkäse aus dem Prättigau und der Herrschaft hinzu. Nämlich für den Käse der Alp Duranna (Fiders) von Sennerin Melanie Pircher; Alp Falla (Klosters) von Senn Ephraim Bastante Lonie Wolff; Alp Fasons (Seewis) von Senn Peter Odermatt sowie jenen der Alp Ortasee (Jenins) von Senn Christian Dörig. Eine bronzene Auszeichnung erhielt der Alpkäse vom Grüscher Älpli (Grüsch) von Senn Simon Müller; der Alpkäse der Hinteren Alp (Untervaz) von Senn Thomas Kalberer; jener der Alp Sattel (Zizers) von Sennerin Cindy Schawalder und der Käse der Alp Stürfis Egg (Maienfeld) von Senn Jonpitschen Stecher.
Poduktion Alpsommer 2022
Während der Taxation erzählte Töni Gujan, Berater der Fachstelle für Alpwirtschaft, etwas über den Alpsommer 2022. «So früh wie dieses Jahr gab es noch fast nie die Alpladungen, und trotzdem war man vielerorts noch zu spät, so wuchs das Gras dem Vieh davon und sie konnten nicht mehr nachkommen mit fressen», erklärte Gujan. So könnte man sich auch den Milcheinbruch Mitte Sommer erklären. Denn Anfang Sommer war die Milchproduktion durchschnittlich, bis sie Mitte Sommer zusammenbrach. «Durch die vielerorts längere Sömmerungszeit konnte man aber die tiefere Milchmenge vielerorts kompensieren. So wird die Produktion auf fünf Prozent unter dem Durchschnitt geschätzt. Die genauen Auswertungen und Daten sind im Moment aber noch nicht verfügbar», so Gujan. In Graubünden werden pro Alpsommer zwischen 560 bis 580 Tonnen Alpkäse produziert und 16 bis 18 Tonnen Ziegenkäse. Die Anzahl Betriebe ist rückläufig aufgrund Fusionen und Aufgaben, die Käsemenge ist aber stabil.
Wasser- und Strommangel
Neben dem frühen Vegetationsstart war die noch grössere Herausforderung der Wassermangel. «Vielerorts haben die Weiden zu wenig Wasser erhalten und das Futter ist nicht mehr nachgewachsen. Auch für die Tiere und die Produktion der Alpprodukte führten nicht mehr alle Wasserstellen genügend Wasser», erzählte Gujan Dies führte zu grossen Problemen, denn der Wasserbedarf sei in der Alpwirtschaft sehr hoch. «Einige Alpen mussten den Sommer deshalb frühzeitig abbrechen. Glücklicherweise sind aber viele Alpen mit einem blauen Auge davongekommen», so Gujan. Im direkten Zusammenhang stehe auch das Problem mit dem Strommangel. Denn viele Alpen hätten eine eigene Wasserturbine. «Das Stromspeichern ist oft sehr schwierig oder fast unbezahlbar. Diesen Sommer haben darum viele Alpen die trockenste Zeit mit Notstromaggregaten überbrückt. Um in Zukunft weitere Engpässe zu vermeiden, sollten die Alpen ihre Wasserspeicher wenn möglich verbessern», rät Gujan.
Wolfsproblematik ansteigend
In Graubünden sind bereits zirka 80 Wölfe in 9,5 Rudel aufgeteilt. Diese haben 61 Angriffe ausgeübt und insgesamt 243 Nutztiere gerissen. Die Frustration unter den Älplern, den Landwirten und allen Betroffenen ist daher sehr gross. Es herrscht eine grosse Aussichtslosigkeit und keine Verbesserung ist im Moment in Sicht. «Seit 20 Jahren wird im Kanton bereits Herdenschutz betrieben. Alpen mit guter Umsetzung der Herdenschutzmassnahmen hatten trotzdem viele Risse und es wird zu lange nichts dagegen unternommen. Das jetzige System ist kompliziert und viel zu langsam. Die Herdenschutzmassnahmen sind für viele Alpen unerfüllbar, da sie das Gelände nicht ermöglicht», erklärt Gujan. Zudem werden durch den Nachtpferch, welcher als Herdenschutzmassnahme gilt, mehr Krankheiten übertragen und der Stress für die Nutztiere ist viel grösser. «Tierabstürze, die durch den Wolf verursacht worden sind, können nicht bewiesen werden und es gibt keine Entschädigungen für die Tierbesitzer. Die emotionale Belastung für alle Betroffenen ist sehr hoch», betont Gujan. Eine schnelle und präventive Regulation ist daher dringend notwendig.
Gänsegeier im Anflug
Diesen Sommer sind erstmals vermehrt Probleme mit Gänsegeiern aufgetreten. «Sie sind in kleineren Gruppen unterwegs, oft zwischen fünf und zehn Tiere. Die Gänsegeier kreisen über Nutztierherden und lenken den Herdenschutzhund ab. Dieser versucht, die Herde zu verteidigen, und rennt den Geiern hinterher. So lange bis er keine Energie mehr hat, um seine Herde zu schützen», erzählt Gujan. Wenn der Hund sich ausruhe, greife der Wolf die Nutztiere an und der Gänsegeier könne sich nach dem Wolf an den gerissenen Nutztieren satt fressen. Die Älplerinnen und Älpler haben aber trotz der vielen und schwierigen Herausforderungen den Alpsommer gut gemeistert und sehr gute Alpprodukte produziert.