Eine andere Vorstellung
Auch das Weihnachtsfest selbst stellte mein Sohn früh in Frage. Für mich war seine Klarheit und sein Hang der Hinterfragung sehr lehrreich. Er glaubte nicht an ein Christkind. Mit fünf Jahren war ihm klar, dass wir Eltern hinter all den Geheimnissen standen. Es war für alle eine Erleichterung, als die Christchindli-Mär vom Tisch war. Weihnachten wurde nach der Klärung viel entspannter und sogar feierlicher. Meine Kindheitsträume verblassten, doch wurde die Advents- und Weihnachtszeit für mich authentischer und ehrlicher, überhaupt nicht minder feierlicher. Womit ich aufgewachsen war, war für meine Kinder nicht mehr stimmig.
Nötige Wandelung
Das ist die Essenz dieser Geschichte, dass die Advents- und Weihnachtszeit sich wandeln darf. Sie wächst und verändert sich über die Generationen. Es schien mir fast, als wären meine Kinder reifer in ihrem Alter als ich damals. Keine kitschigen Weihnachtsbäume mehr, nicht mehr Berge von Geschenken. Eine gemeinsam gestaltete Zeit, die mir sehr viel wertvoller schien als jene, deren ich nachhing.
Nun sind sie schon lange erwachsen, sind noch nicht verheiratet und haben noch keine eigene Familie. Die Gestaltung ihrer Weihnachten gefällt mir sehr gut. Der heutige Zeitgeist lässt die Adventszeit sehr anders erscheinen. Die Kirche hat nicht mehr den Stellenwert von früher. Der Religionsgedanke hat sich ebenfalls verändert.
Die letzten Jahre haben für mich die Advents- und Weihnachtszeit nochmals in ein anderes Licht gerückt. Viele rituelle Adventsanlässe fanden nicht statt und zwangen zu alternativen Ideen.
Ich habe mir Gedanken gemacht, dass es Zeit ist, diese von vielen hochgesteckten Erwartungen an die Advents- und Weihnachtszeit zu revidieren. Für mich hat diese Zeit in gewisser Zeit an Wichtigkeit verloren. Ich war nicht mehr so viel unterwegs, habe mich mehr so ablenken lassen wie früher oder einfach konsumiert, was alles geboten wurde – ganz einfach, weil es nicht mehr möglich war. Ich merke, dass mir nichts fehl, und das ich sehr viel gelassener in diese Zeit gehen kann.
Kleine wertvolle Freuden
Ich freue mich an einem Marroni-Stand in der Stadt Zürich am Bahnhof, weil er heimelige Gefühle bei mir auslöst. Zuhause brennt meistens eine Kerze, die mir mehr Licht gibt, als ich mir je hätte vorstellen können. Offenbar bin ich in all dieser Zeit wirklich bewusster geworden. Geniesse anders und kann dem Konsum nicht mehr so viel abgewinnen. Er ist mir gar lästig. Sehr ungern bewege ich mich in Einkaufsläden, geschweige denn, suche ein Geschenk für einen lieben Menschen.
Ich habe schon lange angefangen, unter dem Jahr zu schenken, wenn mir eine Idee über den Weg läuft, die mir gefällt. Dieses Geschenk spare ich weder für den Geburtstag noch für das Weihnachtsfest auf, sondern schenke es sofort. Das macht sehr viel Spass.
Ich wünsche in diesem Sinne allen vorerst eine kreative Weihnachtszeit, die durchaus ein Genuss sein kann ohne Stress und Erwartungen.