Der erwähnte Grundeigentümer – nennen wir ihn Ernst Meier – wohnt seit 22 Jahren in Maienfeld und seit 15 Jahren in seinem Haus am Muldenweg. Er betont mir gegenüber mehrmals, lösungsorientiert unterwegs zu sein und keinen Streit zu suchen – aber auch nicht auf sein Bürger- und Eigentumsrechte zu verzichten. Er hinterlässt einen jovialen und menschenfreundlichen Eindruck welcher im Einklang mit seiner persönlichen und seiner religiösen Ausrichtung zu stehen scheint.
Wie alles begann
Über sein Grundstück führte ein früher lediglich eingekiester Weg, welcher auf den Grundbuchplänen von 2007, welche er mir vorlegt und auch aufgrund seiner Aussagen teilweise nur eine geringe Breite aufwies und für Motorfahrzeuge nicht befahrbar war. Dieser Weg ist im generellen Erschliessungsplan (GEP) als Wanderweg erfasst und in den Wanderkarten auch entsprechend dargestellt. Meier erklärte mir, dass sein Rechtsvertreter ihm versichert habe, dass daraus aber kein Rechtsanspruch abgeleitet werden könne. Auf eigene Initiative und auch eigene Kosten hatte er in der Folge diesen Weg innerhalb seiner Parzelle verbreitert und geteert um vor seinem Wohnhaus die Staubimmissionen zu reduzieren. Im Nachgang dazu sanierte die Stadt Maienfeld die ost- und westseitigen Anschlüsse ebenfalls und versah diese nun auch mit einem Teerbelag. Somit bot sich diese Verbindung bald einmal als Fahrweg an, obwohl dazu kein öffentliches oder amtlich eingetragenes Wegrecht besteht. Mit der Zunahme des Durchgangsverkehrs, sowohl von Motorfahrzeugen und vor allem auch E-Bikes, sah sich der Eigentümer im Jahr 2012 veranlasst, einschränkende Massnahmen zu beantragen um die Sicherheit gewährleisten und allfällige Haftungsansprüche abwenden zu können. Dies zumal die Ausfahrt aus seiner Autogarage einen zusätzlichen Gefahrenherd bedeutete. Auf dem Muldenweg ist offiziell eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h erlaubt, was bei den gegebenen Umständen aber nie und nimmer möglich ist. Und hier begann nun das Hin und Her zwischen ihm, den Stadtbehörden und weiteren Anwohner:innen.
Von den Anträgen bis hin zum Zerwürfnis
Vor rund 10 Jahren beantragte Ernst Meier bei den verantwortlichen Behörden, ein Fahrverbot, ein Reit-verbot und eine Beschränkung des Höchstgewichts für Motorfahrzeuge von 3.5 t für diesen Weg zu erlassen. Gegen diesen durch einen Einzelrichter des Bezirksgerichts Landquart genehmigten Antrag erhoben die Stadtverwaltung und diverse Personen Einsprache, was zur Aufhebung des Verbots führte. Eine er-forderliche Klage des Antragstellers bei einem Gericht zur Durchsetzung dieses Verbots wurde nicht ein-gereicht. Und schliesslich benutzt seit 2017 ja auch der Schulbus diesen Weg, und dies ohne Anfrage beim Grundeigentümer. Er machte verschiedentlich auch den Vorschlag, den Weg oberhalb seines Grundstücks durchzuführen – ohne Erfolg. Ernst Meier sagte mir während des Gesprächs in seinem Haus auch, dass der gesamte Weg über diverse, verschiedenen Eigentümern gehörende, Parzellen führe. Inzwischen habe ich von verschiedenen Personen, welche schon sehr lange Zeit in Maienfeld zuhause sind, erfahren, dass dieser Weg seit vielen Jahren als Durchgangssträsschen benutzt wurde und eine erforderliche Breite bereits vor 2007 gegeben war. Die Sorge um die Sicherheit auf seinem Wegstück veranlasste Meier nun, auf eigene Kosten Schwellen auf der Strasse montieren zu lassen und mit aufgestellten Hindernissen dafür zu sorgen, dass hinter seinem Haus nicht mehr gerast werden konnte. Dies wiederum führte zum Unmut von Automobilisten und auch zu entsprechendem Hupen, was die Montage von Videokameras nach sich zog. Aufgrund der nun vorhandenen Videobilder wurden etliche Autofahrer wegen ihren akustischen Unmutsäusserungen angezeigt und offensichtlich auch gebüsst. Diese Aktionen seitens des Grundeigentümers waren für die Förderung des freundnachbarschaftlichen Verhältnisses natürlich nicht unbedingt zweckdienlich. Aber, auch mit Videokameras lässt sich der Durchgangsverkehr natürlich noch nicht abwenden. Dies war auch Ernst Meier klar, und so beantragte er im Mai 2022 bei der Stadt Maienfeld den Erlass eines Fahrverbots über seinen Wegabschnitt – der Zubringerdienst wäre gestattet gewesen. So fand dann Ende August 2022 eine Aussprache zwischen den beteiligten Parteien in Anwesenheit ihrer Anwälte statt und schliesslich erhielt Meier kurz vor Jahresende einen ablehnenden Entscheid. Ernst Meier monierte mir gegenüber, dass immer er auf die Stadt zugegangen sei, um eine Lösung herbeizuführen und er sich mit seinem Anliegen einfach nicht verstanden fühle. Zudem lasse man ihn jeweils über Gebühr lange auf eine Antwort warten oder noch schlimmer, oft müsse er eine solche einfordern, teilweise in mehreren Anläufen. Dieser «Hick-Hack» führte im Laufe der vergangenen Jahre zu einer absoluten Verhärtung der Fronten und zu gegenseitigen Anschuldigungen.
So ist es heute
Die oben erwähnte Ablehnung war nun zuviel des Guten – oder eben Schlechten – für Meier und so machte er seine früher geäusserten Drohungen wahr und versperrte am 24. Dezember 2022 den Durchgang. Er brachte Schilder an, welche ein absolutes Durchgangs- und Durchfahrtsverbot signalisierten. Dies wiederum rief nun die Stadtbehörden auf den Plan. Es wurden Aushänge angebracht, welche die aktuelle, angespannte Situation aus offizieller Sicht schilderten und auch im Amtsblatt vom 6. Januar 2023 wurde die entsprechende Erläuterung publiziert. Im Moment ist ein Durchfahren nicht möglich. Hölzerne provisorische Gatter sperren den Weg im Bereich des Grundstücks von Ernst Meier ab. Der Postbote und auch der Zeitungsverträger machen im Moment grössere Umwege um ihre Zustellaufträge erledigen zu können. Auch Fussgänger machen einen Umweg über das glitschige Gras entlang der nordöstlichen Grundstücksgrenze. Auf Antrag hin ist Meier bereit die Durchfahrt auf Zusehen hin zu gewähren. Ein Augenschein in Unterrofels ergab zudem, dass die Verkehrssituation so oder so ein schnelles Tempo von Motorfahrzeugen nicht zulässt und einige durchwegs komplexere Ein- und Ausfahrten für Autoabstellplätze und -garagen vorhanden sind. So gesehen ist Meier mit seiner auf Verkehrssicherheit bedachten Situation also nicht alleine. Mit Ernst Meier konnte ich am 10. Januar 2023 ein Gespräch führen, bei welchem er mir seine Sichtweise erklärte. Gleichentags traf ich auch den Maienfelder Stadtpräsidenten, Heinz Dürler, welcher mir aber keine Auskünfte geben wollte und konnte, da er sich – für mich verständlicherweise – nicht während eines laufenden Verfahrens dazu äussern mochte. Für viele Leute in der Umgebung löst diese ganze Situation Kopfschütteln aus und sie stellen sich die Frage, was es braucht um Ruhe und Ord-nung wieder herzustellen. Sie können sich das Verhalten von Ernst Meier nicht erklären und mir wurde gesagt, dass diese Unruhe mit der Niederlassung und den Ansprüchen dieses Grundeigentümers ihren Anfang nahm. Bisher habe sich doch nie jemand darüber aufgehalten, wenn ein Weg oder ein Strassenabschnitt ein Stück weit über sein Land geführt habe, schliesslich sei man ja auch froh, wenn man die Möglichkeit über jemandes anderen Grundstück für das Fortkommen nutzen könne.
Fazit
Aufgrund der vorangehenden Aufzeichnungen stellte sich mir eine ganz wesentliche Frage: wie ist das, wenn nun alle Grundeigentümer, über deren Land der Muldenweg führt, auf ihr Eigentumsrecht pochen und eine Durchfahrt für andere verweigern oder gar richterlich verbieten lassen? Ich kann nur erahnen, dass es für Ernst Meier schwierig würde, nachhause zurückzukehren. Diese Frage stellt sich aber nicht, da ein Durchgangsrecht zum eigenen Grundstück auf gesetzlicher Basis sichergestellt ist und der Gesetzgeber nicht festlegt, aus welcher Himmelsrichtung ich mein Recht wahrnehmen darf und kann. Ich habe auch verschiedene Nachbarn kontaktiert, welche gemäss seiner Aussage, die nun herrschende Ruhe in-folge des aktuell fehlenden Verkehrs geniessen. Und dabei hörte ich heraus, dass eine sinnvolle Lösung durchaus möglich sein könnte. Einige der Kontaktierten können sich vorstellen, dass der Muldenweg mit einem generellen Fahrverbot für Motorfahrzeuge signalisiert werden kann, welches das Befahren für Anwohner und Zubringerdienste gestattet. So könnte auch die Durchfahrt für den Schulbus und landwirtschaftliche Fahrzeuge ermöglicht werden. Was diese Leute vornehmlich stört ist der nicht ortsgebundene Durchgangsverkehr. Beim Niederschreiben des Gehörten und Erlebten kommt mir unweigerlich ein Zitat aus Friedrich Schiller’s Stück «Wilhelm Tell» in den Sinn: «Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt». Ich überlasse es der geneigten Leserschaft zu beurteilen, wer hier die Rolle des «Frömmsten» verkörpert und wer in dieser Posse zu den «bösen Nachbarn» zählt. Jedenfalls eines ist sicher: Fortsetzung folgt.