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14.03.2023

«Gysis Entscheid ist egozentrisch und fern sauberer Analyse»

Gegen Gysi (links), Vincenz-Stauffacher (rechts) oder gar gegen beide Kandidatinnen: Gegen wen muss Esther Friedli am 30. April im zweiten Wahlgang um den vakanten Ständeratssitz antreten?
Gegen Gysi (links), Vincenz-Stauffacher (rechts) oder gar gegen beide Kandidatinnen: Gegen wen muss Esther Friedli am 30. April im zweiten Wahlgang um den vakanten Ständeratssitz antreten? Bild: Keystone
Am morgigen Mittwoch soll sich definitiv weisen, wer am 30. April zum zweiten Wahlgang im Kampf um den St. Galler Ständeratssitz antreten wird. Nachdem die SP am Dienstagmittag ihren Entscheid, erneut mit Barbara Gysi antreten zu wollen bekräftigte, deutet aber alles darauf hin, dass die FDP Susanne Vincenz-Stauffacher zurückziehen wird.

Esther Friedli (SVP) weit voraus im ersten Wahlgang und der Spontanentscheid von Barbara Gysi (SP), im zweiten Wahlgang erneut anzutreten: Zusammen mit dem Rückzug von Franziska Ryser (Grüne) legten diese Fakten am Sonntag die Basis für intensive Diskussionen, welche in den letzten Stunden zwischen den kantonalen Parteileitungen von SVP, SP und FDP stattfanden.

 

Gartmann: «Können nichts anbieten»

Mittendrin statt nur dabei bei diesen Gesprächen: Der Präsident der SVP-Kantonalpartei Walter Gartmann. Obwohl am Dienstagvormittag nach einem Appell der FDP zwischenzeitlich plötzlich Zweifel aufkeimten, ob Gysi nicht allenfalls doch auf eine Teilnahme am zweiten Wahlgang verzichten wird, zeigte sich der Melser gegenüber dem «Sarganserländer» tiefenentspannt. «Die St. Galler Stimmbürgerschaft hat am Sonntag klar gezeigt, wen sie neben Beni Würth gerne im Ständerat haben möchte», so Gartmann. Gleichwohl bestätigte er, dass auch die SVP in den letzten Tagen mit den anderen Parteien gesprochen hat. Nur: «Das Verdikt im ersten Wahlgang war derart klar, dass wir einfach nichts anbieten konnten. Wir werden mit Esther Friedli in den zweiten Wahlgang steigen und legen den Fokus auf ihre Kandidatur. Das Fueder ist zwar geladen, das Heu aber noch nicht im Trockenen. Wir werden Vollgas geben, egal gegen wen wir antreten werden.»

Gartmann zeigte sich überzeugt davon, dass bei einer Dreierkandidatur von Gysi, Vincenz-Stauffacher und Friedli «seine» SVP-Vertreterin obenaus schwingen würde. Gleiches erwartete er auch für ein Duell Gysi gegen Friedli. Und sollte Gysi wider erwarten doch noch zurückziehen und die FDP am Mittwoch beschliessen, Vincenz-Stauffacher ins Rennen zu schicken? Gartmann: «Dieses Szenario würde bedeuten, dass die FDP eine Allianz mit der Linken und den Grünen geschmiedet hat. Natürlich, man kann alles machen, aber dann müsste sich diese Partei ernsthaft fragen, wie es um ihrer bürgerlichen Werte steht.» Die einzige richtige Allianz sei ein bürgerlicher Schulterschluss, so Gartmann.

FDP wartet(e) auf die SP

Schwierig war die Gemütslage am Dienstagvormittag bei der FDP. Das Vorpreschen Gysis vom Sonntag lag den Parteiexponenten auf dem Magen. Denn wie Gartmann zeigten sich auch die FDP-Vertreter überzeugt davon, dass es sinnlos wäre, Vincenz-Stauffacher im April in einer Dreierkonstellation antreten zu lassen. Vincenz-Stauffacher selber kündigte dann am Dienstagvormittag auf dem Onlineportal des «St. Galler Tagblatts» bereits an, dass in diesem Fall eine Kandidatur «wenig sinnvoll und darum eher unwahrscheinlich» sei. Gleichzeitig hoffte sie darauf, dass die SP und Gysi doch noch umdenken werden. In diesem Falle könne sie sich eine Teilnahme am zweiten Wahlgang vorstellen.

Mitglied der kantonalen FDP-Parteileitung ist auch der Präsident der FDP Sarganserland, Silvio Kühne. Der Melser bezeichnete den sonntäglichen Entscheid Gysis als «egozentrisch». Die schnelle Ankündigung, sicher am zweiten Wahlgang teilzunehmen, habe gewiss nicht auf einer sachlichen Analyse der Wahlresultate basiert, so Kühne. Gleichzeitig kündigte er an, dass die FDP-Parteileitung definitiv morgen Mittwoch darüber entscheiden wird, ob man mit Vincenz-Stauffacher im zweiten Wahlgang noch einmal antreten werde oder nicht.

Kühne verhehlte nicht, dass der definitive Gysi-Entscheid Einfluss auf die internen FDP-Gespräche vom Mittwoch haben wird. Wie die SVP strebe auch die FDP die ungeteilte Standesstimme an. Doch, so Kühne: «65 Prozent sprechen sich für eine bürgerliche Ständerätin aus. Es wäre nun sinnvoll am 30. April herausrauszufinden, aus welchem Lager diese Ständerätin kommen soll».

SP will an Gysi festhalten

Letztlich dürften solche Überlegungen aber obsolet sein: SP-Vizepräsident Joel Müller sagte am Dienstagmittag gegenüber dem Regionaljournal von Radio SRF, dass ein Rückzug Gysis nicht in Frage komme. Das Links-Grüne-Lager habe am vergangenen Sonntag zusammen sehr stark abgeschnitten und das sei ein klarer Auftrag der Wähler, am zweiten Wahlgang vom 30. April erneut anzutreten. Und wenn die SP diesen Entscheid heute Abend an einer ausserordentlichen Nominationsversammlung der Partei bestätigt, dürfte die FDP am Mittwoch den Schulterschluss mit der SVP beschliessen – und Esther Friedli hätte gute Chancen, tatsächlich neue Ständerätin zu werden.

Reto Vincenz/sardona24