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Wie in St.Gallen Armut und «Foodwaste» bekämpft werden

Die Lebensmittelausgaben von Organisationen wie hier bei «Tischlein deck dich» sind sehr gefragt.
Die Lebensmittelausgaben von Organisationen wie hier bei «Tischlein deck dich» sind sehr gefragt. Bild: zvg
Hilfsangebote, die brauchbare Lebensmittelreste an Bedürftige verteilen, sind wichtige Faktoren im Kampf gegen Foodwaste und Armut. Das gestaltet sich aber nicht immer einfach, wie ein Blick hinter den Kulissen dreier St.Galler Hilfsorganisationen zeigt.

Dem grossen Problem «Foodwaste» wird vielseitig entgegengewirkt: Sensibilisierung der Konsumenten, Konzepte bei Grossverteilern und Lebensmittelausgaben für Bedürftige. Letzteres kämpft gegen zwei Probleme gleichzeitig – gegen Foodwaste und Armut. Ein Spagat, der nicht leicht zu meistern ist, wie das Beispiel der Restessbar in Frauenfeld im Kanton Thurgau zeigt.

Diese muss per Juni schliessen, wie das «Thurgauer Tagblatt» berichtete. In der Stadt St.Gallen gibt es ebenfalls eine Restessbar an Lindenstrasse 57.Ein Blick in die Region zeigt, wie der Schwerpunkt gelegt wird und wie die Zukunft der Sozial- und Umweltprojekte aussieht.

Ökologisches Projekt

Vorweg ist klar: Eine Schliessung steht der Restessbar St.Gallen nicht bevor. Dies bestätigt Lukas Hunger, Co-Präsident des Vorstands. Er weiss aber, welcher Konflikt in Frauenfeld auftrat: «Die Restessbar Frauenfeld hatte gegenüber der Stadt einen Sozialauftrag. Sie musste bedürftige Menschen bedienen.» Im Gegensatz dazu sei das Angebot in der Gallusstadt eigenständig und klar ein ökologisches Projekt gegen Foodwaste.

Der Verein Restessbar St.Gallen betreibt einen Laden, der sechsmal pro Woche offen ist und wöchentlich zwischen 150 und 200 Menschen bedient – das entspricht 1,5 Tonnen geretteter Lebensmittel. An einen Grossteil der Lebensmittelreste kommt die Restessbar über vier Aldi-Filialen und eine grosse Bäckerei. Den Standort in St.Gallen gibt es seit sieben Jahren.

Es gilt: Es hat, so viel es hat. «Wenn es weniger Reste gibt, kaufen wir niemals mehr dazu und müssen aber auch niemandem Rechenschaft stehen», sagt Hunger. Hingegen mussten die Verantwortlichen in Frauenfeld Lebensmittel zukaufen, um die Nachfrage durch die höhere Anzahl Flüchtlinge zu stillen. Das Vereinsbudget kann das jetzt nicht mehr stemmen und der Standort im Thurgau muss schliessen.

Eine Brücke für beides

Ähnliche Angebote sind die Stiftung Schweizer Tafel und der Verein «Tischlein deck dich». Allerdings setzen diese keinen Schwerpunkt, sondern schlagen eine Brücke zwischen der Bekämpfung von Produktüberfluss und Armut. «Wir wollen keiner der zwei Aspekte als wichtiger deklarieren, sondern diese miteinander ergänzen», sagt Kommunikationsleiterin Sabrina Munz von der Tafel.

Die Tafel und «Tischlein deck dich» sind beide national tätig, haben Abgabestellen in St.Gallen und sind seit über 20 Jahren im Geschäft. Mit dieser Erfahrung wurde die Logistik verfeinert, was den Fokus auf zwei Ziele erleichtert.

Tendenz zu weniger Foodwaste

In den vergangenen Jahren konstatieren alle drei Angebote einen leichten Rückgang von Foodwaste. Der Druck auf die Grosshändler sei durch die Politik gewachsen, da der Bundesrat konkrete Ziele formuliert habe. «Man merkt aber auch, dass die Lebensmittelläden immer mehr Konzepte haben», erzählt Hunger. Beispielsweise folge Aldi neuen Richtlinien und gebe alle Reste weiter.

Damit die Verteilung jederzeit gerecht bleibt, arbeitet die Restessbar St.Gallen mit Abnehmerkarten. Jeder kann eine beantragen, wobei etwa 80 Prozent aller Karteninhaber Bedürftige sind. Bei «Tischlein deck» dich bekommen derweil nur Personen mit finanziellen Engpässen eine Kundenkarte.

Steter Handlungsbedarf

Um die Lebensmittelverschwendung weiter einzuschränken, gebe es stets Potenzial. Mina Dello Buono, Kommunikationsleiterin bei «Tischlein deck dich», erklärt: «Es gibt auch Handlungsbedarf, dass die Gesellschaft weiter sensibilisiert wird.»

Ebenso bestehe das Bedürfnis für weitere Lebensmittelretter. «Es ist auf jeden Fall gut, wenn engagierte Leute einen Verein wie die Restessbar aufbauen. Das kann in jeder Stadt oder Gemeinde entstehen», so Lukas Hunger. Ein Ende von Foodwaste ist also noch lange nicht in Sicht – und die Tätigkeit der Hilfsangebote sei dementsprechend weiter gefragt.

Ein genauerer Blick hinter die Kulissen

In der Sendung «Mona mittendrin» vom 12. April 2023 begleitete Moderatorin Mona Vetsch Armutsbetroffene in der Schweiz und zeigt einen Blick hinter die Kulissen von deren Leben sowie der Organisation «Tischlein deck dich». 

sir/stgallen24