- Paul Imhof, Alt-Gemeindeschreiber Zumikon
Elisabeth Kopp wohnte 59 Jahre ununterbrochen in Zumikon und besass auch das Zumiker Heimatrecht. Sie war Vorreiterin, Wegbereiterin und Brückenbauerin. Mit ihr verliert die Schweiz, aber auch Zumikon eine grosse Persönlichkeit.
Elisabeth Kopp schrieb in unserem Land Geschichte: Als eine der ersten Gemeindepräsidentinnen der Schweiz, als erste Erziehungsrätin des Kantons Zürich, als erste Bundesrätin der schweizerischen Eidgenossenschaft. Dabei war es gar nicht ihr Ziel, Politikerin zu werden. Nach Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz sah sie es lediglich als ihre Pflicht an, nicht nur von diesem neuen Recht zu profitieren, sondern auch Verantwortung zu übernehmen.
Volk in Umbruchphase
Sie wurde 1970 in den Zumiker Gemeinderat gewählt und übernahm das Ressort Gesundheit und Soziales. Das Dorf am Chapf befand sich damals in einer gewaltigen Umbruchphase. Zumikon wehrte sich mit Erfolg gegen ein vom Kanton geplantes Forchbahn-Trassee, das die Gemeinde zerschnitten hätte, und bewilligte den Ausführungskredit für einen Tunnel, obwohl damit die Erhöhung des Steuerfusses um 5 Prozentpunkte verbunden war.
Die Umsetzung dieses gewaltigen Bauvorhabens riss eine grosse Wunde durch das Dorf. Nicht wenige Stimmbürgerinnen und Stimmbürger bekamen Angst vor ihrem eigenen Mut und dem Tempo der Entscheidungen. Am 16. Dezember 1973 stimmte die Gemeindeversammlung einer Initiative zu, den bereits bewilligten Ausführungskredit für ein Hotel mit Gemeindesaal am zukünftigen Dorfplatz wieder aufzuheben. Der eigentliche Vater des Zumiker Forchbahntunnels, Gemeindepräsident Max Walt, erklärte daraufhin tief enttäuscht auf Frühjahr 1974 seinen Rücktritt.
Erste Schweizer Gemeindepräsidentin
Es musste ein neues Gemeindeoberhaupt gefunden werden, das in dieser schwierigen Zeit die Führung übernahm. Die junge Gemeinderätin gab schliesslich dem Drängen zahlreicher Zumiker nach und stellte sich für diese Mammut-Aufgabe zur Verfügung. Sie wurde im Frühjahr 1974 mit 37 Jahren zu einer der ersten Gemeindepräsidentinnen der Schweiz gewählt.
Sie stürzte sich mit viel Enthusiasmus in die Arbeit. Ihre Zielstrebigkeit, ihre Effizienz, ihre Überzeugungs- und Motivationsgabe kamen ihr dabei zu Gute. So ist aus dem ursprünglichen Hotel ein Gemeinschaftszentrum mit Räumlichkeiten der Politischen Gemeinde, der Schulgemeinde und der beiden Kirchgemeinden entstanden, mit denen alle wichtigen Bedürfnisse eines lebendigen Dorfs abgedeckt werden konnten.
Die weibliche Intuition kann man am familienfreundlichen Zumiker Dorfplatz mit Kinderspielplätzen, Kinderkrippe, Freizeitaktivitäten, Einkaufsmöglichkeiten, Post, Gemeindehaus und Restaurant auch heute noch sehr gut ablesen. In die Präsidialzeit von Elisabeth Kopp fielen unter anderem auch die Verlängerung des Forchbahn-Tunnels nach Osten bis zur Gemeindegrenze von Küsnacht, die Freihaltung des oberen Ibruchgebiets und die Gesamtreorganisation der Gemeindeverwaltung Zumikon.
Erste Schweizer Bundesrätin 1984
Der Ruf der jungen Gemeindepräsidentin drang über die Gemeindegrenzen hinaus. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger des Kantons Zürich schenkten ihr auch mit einem Nationalratsmandat das Vertrauen. In dieser Funktion setzte sie sich vehement für Umweltanliegen ein.
Im Jahr 1984 wurde Elisabeth Kopp zur ersten Bundesrätin der schweizerischen Eidgenossenschaft gewählt. Sie leistete in der Landesregierung als Justizministerin ausgezeichnete und nachhaltige Arbeit. Das attestierten ihr sogar ihre Gegner. Ihre Beliebtheit in der Bevölkerung war für schweizerische Verhältnisse ausserordentlich.
Am 13. Januar 1989 trat Frau Kopp nach einem Telefonanruf mit ihrem Mann, der fälschlicherweise als Verletzung des Amtsgeheimnisses interpretiert wurde, zurück. Eine Zumiker Delegation holte sie in Bern ab und geleitete sie in ihr Heimat-Dorf. Hier fühlte sie sich wohl. Die Menschen waren ihr nahe. Der Gemeinderat würdigte ihre grossen Verdienste mit schlichten Feiern zum 25-jährigen Jubiläum ihrer Wahl in den Bundessrat und zu ihrem 80. Geburtstag.
Elisabeth Kopp – Brückenbauerin
Mit was für einer Fähigkeit kann man Elisabeth Kopp am besten charakterisieren? Sie war eine Brückenbauerin. In all ihren Funktionen baute sie nie Mauern. Das zeigte sich schon als Studentin. An vorderster Front half sie den geflüchteten ungarischen Studenten, die im Jahr 1956 aufgrund des brutal unterdrücken Freiheitskampfs aus ihrer Heimat flüchten mussten. Sie ist immer wieder auf ihre Kritiker zugegangen, hat ihnen zugehört und brachte es fertig, stets Lösungen zu finden, mit denen sich Mehrheiten identifizieren konnten.
Nicht nur Politikerin – sondern Mensch
Nach ihrem Rücktritt als Bundesrätin ist es etwas einsam um sie geworden. Es vergingen 29 Jahre, bis sie erstmals wieder zu einem Parteitag der FDP eingeladen wurde. Sie nahm diese Einladung freundlich an und verlor kein Wort über diese lange und unverdiente Demütigung.
Unsere Gemeinde, unser Land und unser Kanton hat der Persönlichkeit von Elisabeth Kopp viel zu verdanken. Sie hat nicht nur als Politikerin, sondern vor allem als Mensch mit ihrem gewinnenden und positiven Wesen eindrückliche Spuren hinterlassen.