Home Region Schweiz/Ausland Sport Rubriken

Erneuerter Anstieg der Wildvogelpatienten

Bild: pd
Das Jahr 2022 war für die Wildvogelpflegestation St.Gallen ein betriebsames Jahr mit noch mehr Patienten als im Vorjahr, und zwar 35 Prozent mehr. 759 Wildvögel wurden aufgenommen – im 2021 waren es 563. Der Jahresbericht der Wildvogelpflegestation liegt vor.

Der Hauptanteil bestand wie bereits im 2021 aus Singvögeln (693 Tiere) und nur ein kleiner Teil aus Greifvögeln und Wasservögeln (26 und 40 Tiere). Die Hauptsaison, die von April bis August dauert, war sehr intensiv. In dieser Zeit, die gleichzeitig die Brutsaison vieler Singvögel markiert, wurden sehr viele verwaiste Nestlinge in die Pflegestation gebracht. Im Vergleich zu 2021 waren die Zahlen der eingelieferten Wildvögel im April, Mai und Juli 2022 fast doppelt so hoch.

Singvögel wurden meist entweder mit einem Trauma oder als verwaiste Jungvögel eingeliefert, nur 3 Prozent waren abgemagert. Die meisten Verletzungen (24 Prozent) wurden durch Angriffe anderer Tiere (Katzen, Hunde, Greifvögel) verursacht. Kollisionen mit Gebäuden, Autos oder Glasscheiben verursachten 12 Prozent der Verletzungen.

Wurden im Jahr 2021 129 verwaiste Jungvögel abgegeben, so waren es 2022 mit 297 Tieren deutlich mehr. Die meisten Jungvögel waren Nestlinge, (teilweise) noch nackt, die ohne Hilfe ihrer Eltern nicht überleben. Jungvögel benötigen sehr aufwendige Pflege, vor allem, weil sie mehrmals am Tag zugefüttert werden müssen.

Zusammenarbeit mit Wildvogelpflegestationen

Greifvögel-Einlieferungen gab es deutlich weniger als im Vorjahr und es waren überwiegend erwachsene Vögel. Die gute Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Wildvogelpflegestationen spielt hier eine wichtige Rolle, denn je nach Fundort und vorliegendem Problem werden diese an auf Greifvögel spezialisierte oder am Fundort näher gelegene Stationen weitergeleitet.

Die Zahl an Wasservögeln hat deutlich zugenommen (2022: 40 Tiere / 2021: 14 Tiere), verursacht durch drei Stockentenfamilien. Ab Ende April und im Mai ziehen weibliche Stockenten mit ihren Küken zu nahegelegenen Gewässern und werden dabei manchmal verletzt oder von ihren Jungen getrennt. Dann kann es schon mal vorkommen, dass bis zu zehn Entenküken gleichzeitig eingeliefert werden, deren Mutter verletzt oder verschollen ist.

Sobald die Küken stabil sind und keine medizinischen Probleme (mehr) haben, werden sie zur weiteren Aufzucht an andere Pflegestationen weitergegeben, die über grössere Wasserflächen verfügen und daher besser für die mittelfristige Pflege von Wasservögeln ausgestattet sind.

Unterschiedliche Bedürfnisse

Aus pflegerischer Sicht gibt es wichtige Unterschiede zwischen Haustieren und Wildtieren. Wenn ein Wildtier von einem Menschen ohne Gegenwehr in die Hand genommen werden kann, geht es ihm meist schon sehr schlecht. Wildtiere, besonders Wildvögel, zeigen Erkrankungen erst spät, um vor Feinden geschützt zu sein.

Daher befinden sich die meisten Tiere, die in eine Wildtierpflegestation gebracht werden, bereits in schlechten Zustand und versterben trotz eingeleiteter Hilfemassnahmen häufig. Zudem sind Wildtiere, die nur kurzfristig in menschlicher Obhut sind, häufig gestresst. Deswegen muss immer abgewogen werden, welche Massnahmen und Behandlungen wichtig und notwendig sind, um dem Tier schnell Besserung zu verschaffen, oder ob der Stress, der durch eine längere und allenfalls schmerzhafte Behandlung verursacht wird, überwiegt und zum Tode führen kann.

So werden Vögel ausgewildert, sobald sie keine Medikamente mehr brauchen und sich selbst ernähren und vor Gefahren schützen können. Bei erwachsenen Wildvögeln ist das häufig schon nach wenigen Tagen der Fall. Bei Jungvögeln dauert es naturgemäss etwas länger – je nach Alter bei Einlieferung bis zu sechs Wochen.

Einen Teil dieser Zeit verbringen sie nahezu ohne menschlichen Kontakt unter ihresgleichen in der Aussenvoliere der Station. Das ist die letzte Etappe vor der Auswilderung. Es wird nur einmal täglich frisches Futter und Wasser bereitgestellt. Während der restlichen Tageszeit trainieren sie ihre Flugfähigkeit und beginnen bereits mit anderen Wildvögeln aus der Umgebung zu kommunizieren.

Bildung und Beratung

Über das ganze Jahr hinweg wurden 1’422 telefonische Beratungen geführt. Die Information und Aufklärung der Bevölkerung sind wichtige Aufgaben der Wildvogelpflegestation. In der Hälfte der Fälle (49 Prozent) wurde vereinbart, dass der Vogel in die Station gebracht werden sollte. Einige Anrufe wurden an andere, näher am Fundort liegende Stationen oder den zuständigen Wildhüter weitergeleitet.

  • Bild: pd
    1 / 4
  • Bild: pd
    2 / 4
  • Bild: pd
    3 / 4
  • Bild: pd
    4 / 4

Die hohe Saisonalität führte dazu, dass das Arbeitsaufkommen ungleichmässig zwischen Sommer und anderen Jahreszeiten verteilt war, was die Personalbereitstellung knifflig machte. Mehr als drei Viertel der Wildvögel kamen in der Zeit von Mai bis August in die Station. Die Spitze des Jahres war erreicht, als 70 Wildvögel gleichzeitig in der Station gepflegt wurden. Das konnte nur durch mehrere Mitarbeiter des Walter Zoos und freiwillige Helfer bewältigt werden.

Es wurden Vögel aus 62 Arten behandelt, vom Uhu bis zum Wintergoldhähnchen und vom Eisvogel bis zur Wasserralle. Die häufigsten Singvögel waren Haussperlinge, gefolgt von Amseln. Bei den Greifvögeln waren die meisten Patienten Mäusebussarde und bei den Wasservögeln Stockenten. Es wurden viele verschiedene Vögel mit sehr unterschiedlichen Ansprüchen gepflegt.

Besondere Geschichten

Eine dieser Geschichten ereignete sich im Frühling 2022. In einem Nistkasten mit einer darin installierten Kamera zog ein Pärchen Kohlmeisen fünf Jungtiere auf. Mit der Kamera konnten die Finder die Entwicklung der Küken live beobachten. Eines Tages tauchten die Eltern nicht mehr auf und die Nestlinge wurden im Verlauf eines Tages immer schwächer.

Normalerweise haben Kohlmeisen ein hohes Fütterungsintervall, das heisst die Jungen müssen tagsüber sehr häufig gefüttert werden. Daher brachten die Finder die Nestlinge zur Aufzucht in die Station. Vier der fünf Jungvögel überlebten und konnten erfolgreich ausgewildert werden.

Ein anderer Fall war ein Mäusebussard, der auf der Autobahn mit einem Auto mit sehr hoher Geschwindigkeit kollidierte. Er wurde von der Polizei geborgen und in die Station gebracht. Bei der Ankunft hatte er seine Augen geschlossen und lag regungslos in der Kiste. Es wurden ihm keine grossen Chancen ausgerechnet. Am nächsten Tag präsentierte er sich jedoch wie ausgewechselt und war plötzlich fit und munter.

Es ist zwar nicht unüblich, dass sich Kollisionsopfer nach einigen Stunden Ruhe und mit Schmerzmitteln erstaunlich gut erholen. Doch nach einem Zusammenprall bei hoher Geschwindigkeit war seine schnelle und vollständige Genesung überraschend. Nach einigen Tagen konnte er an einem sicheren Ort entlassen werden.

Spezialisten, freiwillige Helfer und die Stiftung

Ohne die tatkräftige Unterstützung des Freiwilligen-Teams ist die Versorgung der vielen Wildvögel nicht möglich. Tierpfleger und das veterinärmedizinische Team vom Walter Zoo können auf viele Helfer zählen. Getragen und finanziert wird die Station durch die Stiftung Wildvogelpflegestation St.Gallen.

Damit der Betrieb der Station gewährleistet werden kann, ist die Stiftung auf Spenden angewiesen. Die Wildvogelpflegestation St.Gallen ist eine gemeinnützige Institution, die ihre Dienstleistungen kostenlos zur Verfügung stellt. Nur dank grosszügigen Gönnern ist dies möglich. Zuwendungen an die Wildvogelpflegestation können im Kanton St.Gallen von den Steuern abgezogen werden.

Spendenkonti

Post: 61-608069-3 / IBAN: CH17 0900 0000 6160 8069 3

Bank: Acrevis Bank AG; 546.821.100.10 / IBAN: CH49 0690 0054 6821 1001 0

pd/stgallen24