Der Hauptanteil bestand wie bereits im 2021 aus Singvögeln (693 Tiere) und nur ein kleiner Teil aus Greifvögeln und Wasservögeln (26 und 40 Tiere). Die Hauptsaison, die von April bis August dauert, war sehr intensiv. In dieser Zeit, die gleichzeitig die Brutsaison vieler Singvögel markiert, wurden sehr viele verwaiste Nestlinge in die Pflegestation gebracht. Im Vergleich zu 2021 waren die Zahlen der eingelieferten Wildvögel im April, Mai und Juli 2022 fast doppelt so hoch.
Singvögel wurden meist entweder mit einem Trauma oder als verwaiste Jungvögel eingeliefert, nur 3 Prozent waren abgemagert. Die meisten Verletzungen (24 Prozent) wurden durch Angriffe anderer Tiere (Katzen, Hunde, Greifvögel) verursacht. Kollisionen mit Gebäuden, Autos oder Glasscheiben verursachten 12 Prozent der Verletzungen.
Wurden im Jahr 2021 129 verwaiste Jungvögel abgegeben, so waren es 2022 mit 297 Tieren deutlich mehr. Die meisten Jungvögel waren Nestlinge, (teilweise) noch nackt, die ohne Hilfe ihrer Eltern nicht überleben. Jungvögel benötigen sehr aufwendige Pflege, vor allem, weil sie mehrmals am Tag zugefüttert werden müssen.
Zusammenarbeit mit Wildvogelpflegestationen
Greifvögel-Einlieferungen gab es deutlich weniger als im Vorjahr und es waren überwiegend erwachsene Vögel. Die gute Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Wildvogelpflegestationen spielt hier eine wichtige Rolle, denn je nach Fundort und vorliegendem Problem werden diese an auf Greifvögel spezialisierte oder am Fundort näher gelegene Stationen weitergeleitet.
Die Zahl an Wasservögeln hat deutlich zugenommen (2022: 40 Tiere / 2021: 14 Tiere), verursacht durch drei Stockentenfamilien. Ab Ende April und im Mai ziehen weibliche Stockenten mit ihren Küken zu nahegelegenen Gewässern und werden dabei manchmal verletzt oder von ihren Jungen getrennt. Dann kann es schon mal vorkommen, dass bis zu zehn Entenküken gleichzeitig eingeliefert werden, deren Mutter verletzt oder verschollen ist.
Sobald die Küken stabil sind und keine medizinischen Probleme (mehr) haben, werden sie zur weiteren Aufzucht an andere Pflegestationen weitergegeben, die über grössere Wasserflächen verfügen und daher besser für die mittelfristige Pflege von Wasservögeln ausgestattet sind.
Unterschiedliche Bedürfnisse
Aus pflegerischer Sicht gibt es wichtige Unterschiede zwischen Haustieren und Wildtieren. Wenn ein Wildtier von einem Menschen ohne Gegenwehr in die Hand genommen werden kann, geht es ihm meist schon sehr schlecht. Wildtiere, besonders Wildvögel, zeigen Erkrankungen erst spät, um vor Feinden geschützt zu sein.
Daher befinden sich die meisten Tiere, die in eine Wildtierpflegestation gebracht werden, bereits in schlechten Zustand und versterben trotz eingeleiteter Hilfemassnahmen häufig. Zudem sind Wildtiere, die nur kurzfristig in menschlicher Obhut sind, häufig gestresst. Deswegen muss immer abgewogen werden, welche Massnahmen und Behandlungen wichtig und notwendig sind, um dem Tier schnell Besserung zu verschaffen, oder ob der Stress, der durch eine längere und allenfalls schmerzhafte Behandlung verursacht wird, überwiegt und zum Tode führen kann.
So werden Vögel ausgewildert, sobald sie keine Medikamente mehr brauchen und sich selbst ernähren und vor Gefahren schützen können. Bei erwachsenen Wildvögeln ist das häufig schon nach wenigen Tagen der Fall. Bei Jungvögeln dauert es naturgemäss etwas länger – je nach Alter bei Einlieferung bis zu sechs Wochen.
Einen Teil dieser Zeit verbringen sie nahezu ohne menschlichen Kontakt unter ihresgleichen in der Aussenvoliere der Station. Das ist die letzte Etappe vor der Auswilderung. Es wird nur einmal täglich frisches Futter und Wasser bereitgestellt. Während der restlichen Tageszeit trainieren sie ihre Flugfähigkeit und beginnen bereits mit anderen Wildvögeln aus der Umgebung zu kommunizieren.
Bildung und Beratung
Über das ganze Jahr hinweg wurden 1’422 telefonische Beratungen geführt. Die Information und Aufklärung der Bevölkerung sind wichtige Aufgaben der Wildvogelpflegestation. In der Hälfte der Fälle (49 Prozent) wurde vereinbart, dass der Vogel in die Station gebracht werden sollte. Einige Anrufe wurden an andere, näher am Fundort liegende Stationen oder den zuständigen Wildhüter weitergeleitet.