Nachfolgend gibt die Universität in einem Communiqué einen Überblick zur Untersuchung der Vorkommnisse am Institut für Supply Chain Management (ISCM), zu den Ergebnissen der «Aktion der Offenlegung» und der Prüfung von Plagiatsvorwürfen.
Stölzle muss sein Institut abgeben
Das ISCM wird per sofort nicht mehr von Prof. Dr. Wolfgang Stölzle geleitet. Die Universität St.Gallen (HSG) ergreift diese Massnahme gestützt auf eine laufende Administrativuntersuchung und den Bericht der eingesetzten Prüfgruppe unter Vorsitz des ehemaligen Bundesrichters Dr. Niklaus Oberholzer.
Die Führung des Instituts übernimmt bis auf Weiteres Prof. Dr. Thomas Friedli, der im Februar 2023 als Beistand im ISCM eingesetzt worden war.
Schwere Vorwürfe bestätigt
Nicht alle Vorwürfe, die von verschiedenen Seiten gegen Wolfgang Stölzle erhoben worden sind, konnten erhärtet werden. Einzelne schwere Vorwürfe haben sich aber bestätigt oder es besteht Grund zur Annahme, dass sie zutreffen könnten. Dies insbesondere in Bezug auf erhebliche Mängel in der Instituts- und Personalführung und die Beziehung zur privaten Firma von Wolfgang Stölzle.
Zusammengefasst kommt die Prüfgruppe bezogen auf Wolfgang Stölzle und das ISCM zu folgenden Hauptbefunden:
- Die Einordnung des Instituts in gesamtuniversitäre Abläufe fehlte.
- Es bestand eine problematische Führungskultur.
- Es gab eine starke Vermischung dienstlicher und privater Interessen.
Aktuell laufen für den Abschluss des Administrativverfahrens noch vertiefende Abklärungen. Auf dieser Basis können weitere Massnahmen ergriffen werden.
Zudem hat der Universitätsrat das Rektorat beauftragt, bis im Herbst Lösungsansätze zu den Themenkomplexen Professorenunternehmungen, Nebenbeschäftigungen sowie Beschäftigung von Familienmitgliedern sowie Partnern zu entwickeln und bis im Spätsommer vorzulegen.
Vertrauensmissbrauch unterbinden
Verschiedene Vorkommnisse in jüngster Zeit haben gezeigt, dass nicht alle beobachteten oder empfundenen Missstände auf den ordentlichen internen Beschwerdewegen und bei den vorhandenen Anlaufstellen geltend gemacht werden.
Darum haben Stefan Kölliker, Präsident des Universitätsrats, und Rektor Prof. Dr. Bernhard Ehrenzeller im Januar 2023 mit der «Aktion der Offenlegung» die Angehörigen der Universität aufgerufen, mit allfälligen Beschwerden an die Zürcher Anwaltskanzlei Rudin Cantieni zu gelangen. Im dreimonatigen Zeitfenster gingen dort insgesamt 37 Meldungen ein, die meisten davon anonym.
Keine der Meldungen erforderte eine Sofortmassnahme und ein erheblicker Teil der Fälle betraf die Situation der Doktorierenden. Es ging auch um institutionelle und kulturelle Fragen, welche angegangen werden, beispielsweise indem das Bewusstsein für den Code of Conduct über alle Stufen hinweg geschärft wird.
Zudem wird im Herbstsemester 2023 eine Informationskampagne durchgeführt, um die zuständigen internen Stellen, die Ombudsstelle sowie die Meldestelle für Missstände und ihre Dienstleistungen bei den Angehörigen der Universität bekannter zu machen und deren Vertrauen in die Stellen zu stärken.
«Wir bedauern es zutiefst, dass es im besagten Institut zu einem solchen Missbrauch der Vertrauenskultur kommen konnte. Solches Verhalten muss in Zukunft früher erkannt und behoben werden. Ich kann versichern, dass das Rektorat der HSG aus diesen Ereignissen lernt und handelt», sagte Rektor Bernhard Ehrenzeller im Rahmen der heutigen Medienorientierung.
Plagiatsvorwürfe noch nicht geklärt
Langsamer als geplant kommen die Abklärungen der Plagiatsvorwürfe gegen einen Titularprofessor der HSG voran. Es stellte sich als schwierig heraus, geeignete, unabhängige Fachleute für die Überprüfung zu finden. Nach mehreren Absagen konnten erst Ende April 2023 zwei qualifizierte externe Fachpersonen für die Mitarbeit in der Kommission gewonnen werden.
Das Einholen der nötigen externen Gutachten erforderte ebenfalls mehr Zeit als erwartet. Die HSG wird zum Gesamtergebnis der Überprüfung so rasch wie möglich kommunizieren. Zudem steht sie mit der Technischen Universität Darmstadt in Kontakt, welche bereits im Februar 2022 eine Kommission zur Überprüfung der dort eingereichten Dissertation des Titularprofessors eingesetzt hat.
Verbesserungen sind äusserst notwendig
Der Fall von Wolfgang Stölzle und dem ISCM hat exemplarisch gezeigt, dass das jetzige System der Aufsicht über die Institute, das stark auf Kooperation und Selbstdeklaration setzt, nachgebessert werden muss. Das Problem ist erkannt und wurde im Rahmen der Revision des Universitätsgesetzes mehrfach adressiert.
Dieses sieht unter anderem vor, dass das Rektorat gestärkt wird und künftig die Institute beaufsichtigt, wofür es neue Werkzeuge erhält. Die Universität steht voll und ganz hinter dem Entwurf, der jetzt in den Kantonsrat geht. Sie hofft, dass die Gesetzesvorlage im Kantonsrat wie geplant verabschiedet wird und per Anfang 2024 in Kraft treten kann.