Leserbriefe, Stellungnahmen, zahlreiche Telefonate: Die unmittelbar bevorstehende Abholzung von 19 Rosskastanien im Bad Ragazer Giessenpark hat die Redaktion am Wochenende und am Montag auf Trab gehalten. Die Stossrichtung dabei ist klar: Die Freunde der Allee wollen die rund 100 Jahre alten Bäume unbedingt erhalten. Sie seien einzigartig und ökologisch wertvoll, sagt etwa Ulrike Grob von ProR in einem Schreiben an den «Sarganserländer». Grob setzt sich seit dem Jahr 2019 für das Wohl der Bäume ein. Damals hatte die Ortsgemeinde die Abholzung der zwischen der Maienfelderstrasse und dem Giessenpark gelegenen Allee bereits einmal beschlossen. In der Folge kam sie auf ihren Entscheid zurück. Insbesondere, nachdem mehrere Baumexperten auch in Gutachten zum Schluss gekommen waren, dass die Allee trotz ihres Alters in gutem Zustand sei. Pflegerische Massnahmen wurden ergriffen.
Wendepunkt am 12. Juni
Schliesslich krachte am vergangenen 12. Juni ein Teil einer Kastanie auf eine vornehmlich von Golfern genutzte Brücke. Verletzt wurde glücklicherweise niemand. Doch der Ortsgemeinde ist das Risiko seither zu gross. Die Allee soll gefällt werden. Grob verurteilt den Entscheid scharf. Dieser falle unter anderem gegen den Rat des von der Ortsgemeinde selber engagierten Baumgutachters Walter Wipfli aus, der selbst nach dem Zwischenfall vom 12. Juni zum Schluss gekommen sei, dass die Allee in gutem Zustand ist.
Auch kritisiert sie die Ortsgemeinde für ihr Verhalten in den letzten vier Jahren. Dabei verweist sie auf Wipfli. Gemäss diesem seien nicht alle empfohlenen Pflegeschritte unternommen worden. Generell sei der Zustand des Baumbestandes im Giessenpark fragwürdig. Dieser sei bereits früher vernachlässigt worden. In einem Leserbrief – er erscheint in der gedruckten Ausgabe von morgen Dienstag - wird der Ortsgemeinde zudem vorgeworfen, ihr gehe es ums Geld.
OG-Präsident Mario Mullis bemühte sich am Montag persönlich auf die Redaktion, um dem «Sarganserländer» ausführlich seine Sicht zu erklären. Geld sei kein Thema, betonte er und stellte sich generell den Vorwürfen. Mullis bestätigte dabei, dass Wipfli «nie und auch nicht nach dem 12. Juni empfohlen hat, die Kastanienallee zu fällen». Das habe man auch nie behauptet. Er habe aber ein Massnahmenpaket vorgeschlagen, darunter etwa das Anbringen von Seilen (Kronensicherung).
Warum geht die Ortsgemeinde darauf nicht ein? «Weil der Baumexperte auch gesagt hat, dass man das Risiko nicht zu 100 Prozent ausschliessen kann», sagt Mullis. «Beim Zwischenfall vom 12. Juni – es hat an diesem Tag nicht einmal stark gewindet – hätten Menschen sterben können. Wir hatten Glück. Aber wir sind nicht mehr gewillt, die Verantwortung zu tragen.» Und dass die Ortsgemeinde schuldig wäre, wenn sie tatenlos bliebe, das ist für Mullis gegeben. «Ich weiss nicht, ob das rechtlich der Fall ist. Aber ganz sicher moralisch.» Letztlich sagt er: «Die Allee kommt weg, die OG trägt das Risiko künftig nicht mehr.»