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Als in St.Gallen die Erde bebte

Genug Wärme für 4000 Haushalte: Dieses Ziel verfolgte St.Gallen mit der 4378 Meter tiefen Geothermiebohrung
Genug Wärme für 4000 Haushalte: Dieses Ziel verfolgte St.Gallen mit der 4378 Meter tiefen Geothermiebohrung Bild: St.Galler Stadtwerke
Heute vor zehn Jahren erschütterte das St.Galler Geothermie-Erdbeben Stadt und Region. Der Zwischenfall beendete das Pionierprojekt schlagartig.

Am 20. Juli 2013 erschütterte ein Erdbeben Stadt und Region. Es ging vom Bohrloch fürs Geothermieprojekt im Sittertobel aus. Das Beben, das nur kleine Schäden verursachte, signalisierte den Anfang vom Ende des Pionierprojektes, das St.Gallen zuvor positive Schlagzeilen in der ganzen Schweiz beschert hatte.

Anfangs März 2013 wurde mit den Bohrarbeiten begonnen, die ungefähr 100 Tage dauern sollten. Zuerst wurde etwa 1000 m senkrecht gebohrt und dann in zwei Etappen weitere 3000 m seitlich ins Zielgebiet, wo in etwa 4000 m Tiefe unterhalb Abtwils 140 Grad heisses Wasser vermutet wurde. Die Grundidee bestand darin, dieses heisse Wasser zu nutzen, um ein Fernwärmenetz damit zu versorgen.

Der Bohrplatz im Sittertobel Bild: Archiv

Das Projekt hatte eine Reihe von Vorteilen, die es zu einer vielversprechenden Alternative zu herkömmlichen Energiequellen machten

Erstens ist Geothermie eine erneuerbare Energiequelle, die praktisch unbegrenzt vorhanden ist. Die Wärme aus dem Erdinneren geht nie zur Neige, was eine zuverlässige und langfristige Energieversorgung gewährleistet.

Zweitens ist Geothermie äusserst umweltfreundlich, da sie praktisch keine Treibhausgasemissionen verursacht und somit zur Reduzierung der CO₂-Bilanz beiträgt.

Drittens hätte das Projekt eine wichtige Rolle bei der Stärkung der regionalen Wirtschaft spielen sollen, indem es Arbeitsplätze schaffen und die Abhängigkeit von fossilen Energiequellen reduzieren wollte.

Vier Kilometer tief liegt die bis zu 140 Grad heiße Gesteinsschicht Bild: St.Galler Stadtwerke

Hätte, sollte, wollte: Der 20. Juli 2013, ein Samstag, setzte den hochfliegenden Plänen ein abruptes Ende

Schon einen Tag zuvor stieg der Druck im Bohrloch an. Dann trat ein Wasser-Gas-Gemisch aus. Es drohte ein unkontrollierter Gasausbruch. Das Loch wurde versiegelt, der Überdruck im Loch sank. Alles schien unter Kontrolle.

Doch: Am Abend des 19. Juli werden um das Bohrloch Erdstösse in einer Stärke von 2,0 auf der Richterskala registriert. Am Morgen des 20. Juli 2013, um etwa halb Sechs, ist in Teilen von St.Gallen und Umgebung ein Erdstoss zu spüren.

Vor diesem Moment hatten sich die Verantwortlichen gefürchtet. Denn sofort wurden Erinnerungen an Basel wach: Ein Geothermieprojekt hatte dort 2006 mehrere Erdbeben ausgelöst und Schäden im mehrstelligen Millionenbereich verursacht.

«Den Fachleuten ist sofort klar, dass das Beben in Zusammenhang mit dem Geothermieprojekt stehen muss», erinnert sich der ehemalige Lokalredaktor Reto Voneschen im «Tagblatt». «Das Beben mit einer Stärke von 3,5 auf der Richterskala ist zwar relativ schwach und verursacht nur kleine Schäden an einzelnen Liegenschaften, es löst aber Hektik und Spekulationen aus.»

Das Problem war die Gefahr von Erdbeben, bei denen schon vorhandene Spannungen im Tiefengestein durch die Einleitung von Wasser ausgelöst werden können Bild: Archiv

Das grosse Beben bleibt aus

In den Tagen nach dem Erdstoss werden rund ums Bohrloch noch kleine Erdbewegungen gemessen. Schliesslich beruhigt sich der Untergrund. Das Projekt wird mit Rücksicht auf das gesteigerte Erdbebenrisiko und auf das überraschend im Bohrloch festgestellte Erdgas modifiziert weitergeführt.

Die Pumptests werden im Oktober 2013 durchgeführt. «Sie bestätigten, dass es zwar heisses Wasser im Bohrloch hat, aber zu wenig für den Betrieb eines Geothermiekraftwerks», so Voneschen. Und sie bestätigen ein grösseres Gasvorkommen im St.Galler Untergrund. Aufgrund der Untersuchungsresultate wird das Geothermieprojekt Anfang 2015 endgültig beerdigt getragen.

stz.