Stefan Millius ist einer der wenigen Journalisten, Kolumnisten und Blogger, die Meinungen vertreten, die fernab des Mainstreams sind. So kennt man ihn aktuell bei der «Weltwoche» und bis vor kurzer Zeit bei der «Ostschweiz» und beim «Nebelspalter». Jetzt will Millius in die Politik und kandidiert für die aus der Anti-Corona-Bewegung hervorgegangene Partei «Aufrecht» für den Nationalrat. Rheintal24 hat mit ihm über seine Beweggründe und seine politischen Positionen gesprochen.
Stefan Millius: «Unsere Stimmen werden nicht verloren sein!»

Rheintal24: Was treibt Sie an? Warum kandidieren Sie auf der Liste „Aufrecht"? Was wollen Sie als Parlamentarier erreichen?
Stefan Millius: Ich will die Kräfte stärken, die dem Abbau der Grund- und Freiheitsrechte der vergangenen drei Jahre entschlossen entgegen gestanden sind. Es ist wichtig, dass diese mit einem guten Resultat ein Zeichen Richtung Bundeshaus senden. Im Fall einer Wahl würde ich in der Politik fortsetzen, was ich heute bereits als Publizist tue: Ohne Tabus Fragen stellen und mich kompromisslos für die Einhaltung der Verfassung und unserer demokratischen Abläufe einsetzen. Weitere Schwerpunkte werden die Souveränität der Schweiz sowie die Bildungs- und die Medienpolitik sein. Die Inaktivität unseres Parlaments in den letzten Jahren war schmerzhaft. Die gewählten Volksvertreter haben den Bundesrat via Notrecht schweigend durchregieren lassen. Es braucht dringend Leute in Bern, welche die Bedürfnisse der Bevölkerung vertreten und sich nicht von Lobbys einlullen lassen.
Rheintal24: Wie stehen Sie zum Klimawandel und dessen Auswirkungen? Und was soll die Schweiz dagegen tun? Bieten Atomkraft und die erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne einen Ausweg?
Stefan Millius: Ich halte es mit einer wachsenden Zahl von Wissenschaftlern, die von den meisten Medien totgeschwiegen werden: Der Klimawandel ist ein fortwährender Prozess in der Menschheitsgeschichte, und wir müssen lernen, damit umzugehen. Vor einigen Jahrzehnten wurden wir vor einer neuen Eiszeit gewarnt, nun tötet uns die Hitze? Die angeblichen Massnahmen gegen den Klimawandel dienen nur dem Umbau der Gesellschaft in Richtung mehr Bevormundung, und die apokalyptischen Prognosen sind reinste Hirnwäsche der Massen. Wer etwas für die Umwelt tun und die Energieversorgung sichern will, muss sich heute für die Atomkraft aussprechen. Die erneuerbaren Energien können einen Beitrag leisten, aber in viel zu geringem Ausmass.
Rheintal24: Wie wollen Sie das in der Zeit von Alain Berset herabgewirtschaftete Gesundheitssystem erneuern?
Stefan Millius: Die explodierenden Kosten im Gesundheitswesen stehen im Zusammenhang mit dem Verlust der Eigenverantwortung, den die Politik durch immer neue Regeln und Verbote fördert. Der Leistungskatalog der Krankenkassen muss ausgemistet werden, und statt viel Geld in prestigeträchtige Spitzenmedizin zu investieren, müssen wir die Grundversorgung stärken. Dazu gehört auch eine Reduktion der Bürokratie. Wenn Pflegekräfte mehr mit Formularen als mit Patienten beschäftigt sind, läuft etwas schief. Die Spitallandschaft muss grundsätzlich neu gedacht werden. Wir haben in gewissen Bereichen eine Überversorgung und in anderen Engpässen.
Rheintal24: Welche Position vertreten Sie zum Verhältnis der Schweiz zur Europäischen Union?
Stefan Millius: Ich sehe die Europäische Union als einen Handelspartner wie es viele andere gibt. Mit diesen sollte die Schweiz auf Augenhöhe verhandeln und nicht als Bittsteller. Die EU ist ein morsches Konstrukt. Wichtige Geberländer wie Deutschland schwächeln wirtschaftlich unter einer miserablen Regierung, und das europäische Parlament ist ein Selbstbedienungsladen für abgetakelte Politiker. Je unabhängiger die Schweiz von der EU wird und je selbstbewusster sie gegenüber ihr auftritt, desto besser. Wenn der Handel zwischen uns und der EU auf der Übernahme grotesker Regelungen basiert, ist es Zeit, die Partnerschaft mit anderen Weltregionen auszubauen.
Rheintal24: Haben Sie auch Angst um die Schweizer „Neutralität", wenn Lieferungen von Waffen aus Schweizer Produktion aus Drittstaaten an die Ukraine erlaubt würden?
Stefan Millius: Ich habe keine Angst, sondern beurteile das schlicht und ergreifend als Bruch mit der Neutralität. Man kann weder ein bisschen schwanger noch ein bisschen neutral sein. Die Lieferung über Drittstaaten ist ein Taschenspielertrick, der die Schweiz auf indirektem Weg in diese kriegerische Auseinandersetzung hineinführt. Auch die Übernahme der EU-Sanktionen halte ich für falsch. Wir haben uns damit den Weg verbaut, Vermittler zwischen den Kriegsparteien zu sein. Unser Weg hat die Schweiz zu einer Erfolgsgeschichte gemacht, und wir sind drauf und dran, diesen Status zu verspielen.
Rheintal 24: Sie kandidieren für die aus der Anti-Corona-Bewegung hervorgegangene Partei „Aufrecht". Es ist aktuell nicht damit zu rechnen, dass „Aufrecht"-Kandidaten den Sprung ins Parlament schaffen. Was sagen Sie den Leuten, die Angst haben, ihre Stimme zu „verlieren", wenn sie „Aufrecht" wählen?
Stefan Millius: Dass sie ironischerweise gerade mit dieser Angst und einer strategischen Stimme für eine andere Partei einen Sitzgewinn von «Aufrecht» verunmöglichen. Unsere Stimmen werden nicht verloren sein. Gerade auch Parteien, mit denen wir Parallelen haben, die aus unserer Sicht aber nicht konsequent genug agieren, werden unter Druck gesetzt, wenn wir gut abschneiden. Ich bin auch überzeugt, dass die Wahlen 2023 unter ganz neuen Vorzeichen stehen. In den letzten drei Jahren wurden viele Leute politisiert, die sich früher dafür nicht interessierten, und viele Stammwähler anderer Parteien sind enttäuscht von diesen. Das eröffnet uns als junger Bewegung Chancen. Und schliesslich: Corona mag der Antrieb für die Gründung von «Aufrecht» gewesen sein, ist aber längst nicht das einzige Thema. Es geht um die Wahrung der Grund- und Freiheitsrechte und die Unabhängigkeit der Schweiz, und das alles wird derzeit an sehr vielen Fronten attackiert.
Zur Person:
Stefan Millius (Jahrgang 1972) ist in Mörschwil aufgewachsen. Nach Abbruch des Gymnasiums kurz vor der Matura, bewarb er sich mit Erfolg beim Neuen Wiler Tagblatt. Dort arbeitete er in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre, bevor seine Karriere als Journalist beim Radio FM1 (ehemals Radio aktuell), bei der Tageszeitung «die Ostschweiz» und beim «Blick», bei der «Weltwoche» und beim «Nebelspalter» ihren weiteren Verlauf nahm. Aktuell ist Millius selbständiger Publizist und betreibt den Blog stefanmillius.ch.