Kürzlich berichtete stgallen24 über einen Anwohner, der sich an dem Kuhglockengeläut im Riethüsli störte. Auf dem «Stadtmelder», der Online-Plattform der Stadt St.Gallen, klagte er über die Mutterkühe, die derzeit mit ihren Kälbern auf der Solitüde weiden.
Das Thema polarisiert, wie Dutzende Nachrichten an die Redaktion zeigen. Viele Leser empören sich über den anonymen Schreiber – manche werden sogar so ausfällig, dass wir die Kommentare hier nicht unzensiert zeigen möchten.
«Zieht halt in die Stadt»
Leserin D.Z. schreibt beispielsweise: «Die sollten in die Stadt ziehen, dann können sie sich über das Tram und die Autos beschweren statt über Kühe in der Landwirtschaft.» Noch deutlichere Worte findet G.B. und sagt: «Wie kann man nur so hirnlos und blöd sein, und in die Landwirtschaftszone ziehen und sich dann über Kuhglocken aufregen? Es gibt für den doofen Motzer bestimmt noch an der Zürcherstrasse Wohnraum mit entsprechend viel Verkehrslärm.»
«Kuhglocken oder das Kirchengeläut, darüber stören sich immer mehr Menschen. Gleichzeitig werden Feste jeder Art besucht, wo die Musik ohrenbetäubend ist so, dass sich Besucher nicht mehr in normaler Lautstärke unterhalten können. Das Kirchengeläut gehört zu uns genauso wie die Kuhglocken. Bei der Wohnungssuche muss man sich entsprechend informieren», schreibt R.P. in einem Mail.
Ein anderer Leser, der selbst Kühe hat, sagt, dass sich die Nachbarn immer freuen, wenn sie die Kühe mit Glocken hören und sehen. Wer kein Geläut mag, solle halt in die Stadt ziehen.
M.H. meint dazu: «Wir haben selber Kühe und legen ihnen Glocken an. Die Nachbarn freuen sich, wenn sie die Kühe mit ihren Glocken sehen und hören. Wer kein Geläut mag, soll in die Stadt ziehen. Da gibt es das nicht. Es gab schon Kühe mit Glocken, bevor es solche Städter mit Landflucht gab.»
Schaden die Kuhglocken den Kühen?
Anders sieht das Y.H., die findet, dass Kuhglocken in der heutigen Zeit nicht mehr nötig seien. «Man denke doch an das arme Tier. Das Gehänge um den Hals würde beim Essen stören. Auch wenn viele Tiere mit Glocke friedlich grasen könnten, so wäre es ohne Klangkörper einfacher. Zudem würde das Gebimmel das empfindliche Gehör der Tiere beeinträchtigen. Statt Kuhglocken sollte man den Tieren lieber Hörner lassen.»
Leserin V.S. geht noch weiter in ihrer Meinung: «Alle die, die Kuhglocken gerne hören, sollte man in einen Raum sperren, der 48h mit Radio beschallt wird. Kühe haben 30 cm von den Ohren entfernt ein Gebimmel. Und dies nonstop. Es gibt Studien dazu, dass Kühe ohne Glocken ruhiger leben. Ich verstehe, dass es Menschen gibt, die nachts schlafen wollen!»
Glocken können Kühe retten
Auf Anfrage verweist das Veterinäramt St.Gallen auf eine Studie aus dem Jahr 2015 von der ETH Zürich. Darin wurden die Auswirkungen von Glockengeläut auf die Kühe untersucht. Die Kuhglocken würden für das Tier kein Problem darstellen, sondern sie seien sich an das Läuten gewöhnt und würden es nicht mehr als störend empfinden.
«Kühe tragen Glocken, damit sie auf den Weiden lokalisiert werden können. Vor allem in den Sömmerungsgebieten sind die Glocken unerlässlich, damit die Hirten und Älpler unmittelbar Bescheid wissen über den Aufenthaltsort ihrer Tiere», sagt Mathias Rüesch vom St.Galler Bauernverband.
Das Gebimmel der Glocken gebe dem Alppersonal wertvolle Informationen zur Befindlichkeit der Herde. Kühe, Kälber und Rinder, die in Panik gerieten, machen sich so rasch und unmissverständlich bemerkbar. In der heutigen Zeit, mit der ständigen Präsenz von Grossraubtieren, vorwiegend Wölfen, seien diese akustischen Informationen für das Alppersonal unerlässlich. Eine panische Kuhherde bzw. Rinderherde bedeutet in vielfältiger Hinsicht Gefahr.
GPS funktioniert nicht immer
Gleiches gelte auch im Tal. Hier diene das Gebimmel der Glocken zur Lokalisierung der Kühe, Rinder, Kälber und durchaus auch als akustisches Warnsignal, wenn Tiere aufgeschreckt würden und ausbrächen.
«In den Dörfern sind es oftmals Hunde, die von ihren Besitzern nicht unter Kontrolle gehalten werden können, welche panische Reaktionen auslösen können oder Fehlverhalten von Passanten. Im Talgebiet dürfte es zwar mehrheitlich möglich sein, den Aufenthalt von ausgebrochenen oder ausgebüxten Tieren mittels GPS festzustellen, aber das akustische Warnsignal in einer unkontrollierten und damit gefährlichen Situation fällt komplett weg. Im Berggebiet, in den Alpen funktionieren GPS Sender zur Lokalisierung der Tiere nur bedingt, je nach Netz», so Rüesch abschliessend.