Rauf auf die Alp, laden, zielen, schiessen.» Markus Ritter, höchster Schweizer Bauer, ist um klare Worte nie verlegen. An der Medienkonferenz vom 12. August bei der Tristelhütte auf 2000 Metern über Meer redet er sich schier in Rage mit seinen Forderungen, wie es eben nicht mehr sein könne und dürfe mit dem Wolf. Und was die Wildhut zu tun habe, um die Gefährdungssituation zu entschärfen. Eben: laden, zielen, schiessen.
Dass er damit illegale Taten forderte, blendete Ritter geflissentlich aus. Denn zu jenem Zeitpunkt war es rechtlich noch nicht möglich, Tiere aus dem Calfeisentalrudel zu entnehmen. Wobei der Kanton just einen Tag vor der Medienkonferenz beim Bund ein Regulierungsgesuch eingereicht hatte, mit dem Ziel, drei Jungtiere aus diesem Rudel zu schiessen. Interessanterweise aber nicht wegen «Vergehen» im Calfeisen-, sondern im Weisstannental. Wie auch immer: Während Ritter polterte, war das Heulen von Jungwölfen zu hören – sie hielten sich offenbar in unmittelbarer Nähe unseres Standortes auf. Eindrücklicher hätte sich die Situation nicht gestalten können. Sie liess die Schreckhafteren unter den Anwesenden zusammenrücken.
Pro oder contra Wolf?
So wie Kollege Michael Kohler ein paar Tage zuvor war es auch mir nicht vergönnt, einen Wolf vor die Linse des Fotoapparates zu bekommen. Trotz stundenlangen Wartens und Beobachtens jener lichten Waldpartie, die der «Spielplatz» der Jungwölfe sein soll. Die anderen Teilnehmer der Medienkonferenz waren schon längst wieder im Tal, als mich beim Abstieg Lorena Ritter auf Schräawisli zu einem Kaffee einlud.
Bei jenem langen, persönlichen Gespräch fragte mich die junge Älplerin, ob ich eigentlich pro oder contra Wolf sei. Bis dorthin wäre meine Antwort eindeutig gewesen. Aber die Sichtweise jener, die Alpen bewirtschaften und am Ende des Sommers ihre Tiere wieder heil zu ihren Besitzern zurückbringen müssen, lässt sich trotz aller Faszination für das Raubtier nicht ausblenden.
Die vehementen, überzogenen Forderungen des Bauernpräsidenten hallen in mir bis heute nach. Und haben das Verständnis für Politiker, die sich mit aller Kraft für eine Sache einsetzen, relativiert. Aber so ist das wohl in der Politik. Nur wer weit mehr als das Maximum fordert, erhält das, was er will. Nach dieser Medienkonferenz ging es in Bundesbern jedenfalls schnell. Inzwischen steht das ganze Calfeisentalrudel unter Beschuss, ein Wolf ist bereits tot.
Zu meinem zweiten unvergesslichen Erlebnis in Zusammenhang mit dem Wolf gehörte ein ganzer Arbeitstag, den ich mit Wildhüter Rolf Wildhüter verbringen durfte – in Augenhöhe mit der Alp Schräa auf der anderen Seite des Calfeisentals. Hätte ich alles schreiben wollen, es wäre ein Buch geworden. Vor allem aber zeigte das Gespräch weitere Seiten der Medaille zum Thema Wolf. Das letzte Kapitel im Umgang mit diesem Tier, das die einen ängstigt und die anderen erfreut, dürfte noch lange nicht geschrieben sein.