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29.12.2023
29.12.2023 11:57 Uhr

Sturm aus dem Murgtal

Bild: Pressedienst
Im August habe ich erlebt, wie wichtig ein weiter Blickwinkel ist, um Geschehnisse einzuordnen. Dies, als vor unseren Fenstern «die Welt unterging», das Sarganserland als Ganzes aber glimpflich davonkam.

Es war ein ganz normales Wochenende Ende August. Fast. Unwetter und Dauerregen waren angekündigt, aber es sah erst einmal so aus, als ob wir glimpflich davonkommen würden. So war es dann am Ende auch. Aber eben nur fast.

In den Nächten auf Freitag und Samstag zogen Gewitter und Hagelschauer übers Land. Dies mit lokal extrem unterschiedlichen Auswirkungen. Meine Familie und ich leben in Murg, Rüti, und just in unserer Gemeinde hat eine Sturmböe an diesem Wochenende erheblichen Schaden angerichtet. Der Zufall wollte es, dass ich genau an diesem Wochenende Dienst hatte. Und somit zum ersten Mal am eigenen Leib erlebte, wie viele Fehler man tippen kann, wenn man sich, selber etwas aufgelöst, im «Auge des Sturms» befindet. Die Böen hatten sich zwar über Nacht gelegt (um Mitternacht war uns schauerlich zumute, man meinte, draussen vor dem Fenster gehe grad die Welt unter, so pfiff und heulte es), aber der Anblick unseres kleinen Quartiers war doch einigermassen verstörend: überall umgeknickte Bäume, herumliegende Ziegel, die Häuserfassaden tapeziert mit Blätterfetzchen, alles, was «flugtauglich» war, hatte der Wind davongewirbelt (wie etwa unser Trampolin, das doch immerhin mit einem Erd-Anker befestigt gewesen war). Eine Spur der Verwüstung. Rundherum waren alle am Aufräumen, manche von ihnen seit den frühen Morgenstunden, und mittendrin ich, die Redaktorin, die als erste Amtshandlung den Laptop aufklappte.

Offenbar war das Sarganserland von einem schweren Unwetter getroffen worden – das musste auf die Schnelle zumindest mal online aufgearbeitet werden. Wen sollte ich zuerst anrufen: den Gemeindepräsidenten? Die Feuerwehr? Ob ich wohl Verstärkung brauchen würde?

Eine Nachricht an unsere interne «Alarm»-Nummer und ein paar Telefonanrufe später dann die «Entwarnung»: Nicht das ganze Sarganserland, nein, nur eine kleine Enklave im Einflussbereich des Murgtals war vom Sturm durchgeschüttelt worden. Während hier die Einsatzkräfte unzählige Überstunden leisteten, musste man in der benachbarten Gemeinde Walenstadt kaum einmal ausrücken. Ein paar Hagelschauer waren zu verzeichnen, sonst nichts.

Zwischen Murg, Quarten und Unterterzen hingegen sind an diesem Wochenende einige Versicherungsfälle entstanden (unserer Familie wurde dabei immerhin 550 Franken Entschädigung zugesprochen; bei einem Selbstbehalt von 500 Franken notabene). Die grösste Wunde hinterliess der Sturm sicher im Wald. Hunderte von Bäumen wurden geknickt, abgegipfelt, entwurzelt. Wie ein wildes Mikado mitten in der Natur. Und auch wenn die Forstdienste ganze Arbeit geleistet haben (und das haben sie), sieht man nach wie vor quer liegende Stämme. Noch sind nicht alle «Baustellen» beseitigt.

Für die Redaktorin hiess es an jenem Wochenende: erstmal durchatmen. Ich setzte mich an den Laptop, tippte die gesammelten Infos zu einer kleinen Story und liess meine persönliche Betroffenheit aussen vor. Auf die ganze Region bezogen war ja nicht viel passiert.

Manchmal bleibt der Sturm im Wasserglas und die Dinge sind nicht immer, was sie scheinen: Schon zweimal haben mir unsere Kinder beim Mittagessen kolportiert, die «Baustelle beim Murgbach» (Installation für das Hochwasserschutzprojekt) sei «imfall» überflutet und weggespült worden. Die Materialien und Maschinen lägen jetzt wahrscheinlich alle im Walensee. Unser Gemeindepräsident Erich Zoller bat mich dann beim Spatenstich scherzeshalber, von dieser «Überschwemmung» bitte nichts zu schreiben.

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Silja Lippuner