Wir stehen in der wichtigsten Zeit unseres Vereins», eröffnete Esther Probst, Präsidentin des politischen Frauennetzwerks Sarganserland PFS, den Neujahrsapéro im «Novellas» in Vilters. Damit meinte sie einerseits die Wahlen und andererseits das Zehn-Jahr-Jubiläum des PFS. Einst aus links orientierten Kreisen gewachsen, vereint das Netzwerk heute Politikerinnen aus allen Parteien. Darüber zeigte sich Probst besonders erfreut und betonte: «Das PFS ist überparteilich.»
Nur wenige Sarganserländerinnen in politischen Ämtern
«1971 erhielten Frauen in der Schweiz das Wahl- und Stimmrecht auf Bundesebene», erinnert das Netzwerk PFS und fragt rhetorisch: «Ist da die politische Partizipation nach über 50 Jahren überhaupt noch ein Thema?» Obwohl die Gleichstellung voranzuschreiten scheine, das PFS gewachsen sei und Frauen sich gegenseitig stärkten, gebe es im Sarganserland bislang keine Gemeindepräsidentin und in zwei Gemeinden fehlten aktuell Frauen im Gemeinderat. Seit Kurzem sei mit Brigitte Borghi nach acht Jahren zumindest wieder eine Frau im Kantonsrat vertreten, nachdem bei der SVP ein Platz frei wurde.
«In der Öffentlichkeit und der Politik waren Frauen lange schlecht ver-treten», eröffnete Sarah Bütikofer ihr Referat zur politischen Partizipation der Frauen. Bütikofer, eine bekannte Schweizer Politologin, Wissenschaftsjournalistin und Gast an diesem Abend, weiss viel über Politikerinnen und deren Werdegang. Für ihre Studie «Politische Partizipation von Frauen in der Ostschweiz» hat sie 36 von 46 Ostschweizerinnen, die jemals von 1971 bis 2019 auf kantonaler oder nationaler Ebene ein höheres politisches Amt bekleideten, getroffen. «Viele der Frauen fassten über politische Inhalte in der Gemeinde Fuss und sind erst später einer Partei beigetreten», so Bütikofer. Spannend sei auch, zu sehen, dass viele dieser Politikerinnen Zuzügerinnen seien, niemanden gekannt hätten und die Politik für sie auch ein Weg zur Integration gewesen sei. Und: Zwei Drittel der Frauen seien von jemandem, oft auch von Männern, motiviert worden und hätten eine politische Karriere überhaupt nicht geplant gehabt. In der gleichen Zeitspanne seien übrigens 291 Männer als Bundes-, Stände-, National- oder Regierungsräte im Amt gewesen, was einem Geschlechterverhältnis von 86:14 entspricht.
Was bringt die Zukunft? Kaffeesatz lesen kann niemand. Sarah Bütikofer sagte, sie stelle aber fest, dass es bei gleichbleibendem Tempo bis ins Jahr 2062 dauern werde, bis Frauen und Männer je zur Hälfte vertreten sind. Aktuell werde international sogar eine Rückwärtstendenz festgestellt. Gerade autoritäre Staaten würden die Rechte der Frauen einschränken. Zudem sei die Stimmbeteiligung bei den Frauen immer noch tiefer als bei Männern, vor allem, wenn es gegen das Pensionsalter gehe.
Parteien in der Verantwortung
Bütikofer sieht auch die Parteien in der Verantwortung. Während linke Parteien darauf achteten, den Frauen gleiche Wahlchancen in politische Ämter zu bieten, würden sich wertkonservative Parteien weniger um Frauen bemühen. Das habe dazu geführt, dass durch die Sitzverluste der Grünen und der GLP an die SVP und an die Mitte wiederum mehr Männer im nationalen Parlament sitzen würden. Bütikofer betonte weiter, dass Frauen anders politisierten – was in der männlich geprägten Politwelt oft als falsch wahrgenommen oder nicht verstanden werde.
Frauennetzwerke als eine Lösung
PFS-Präsidentin Esther Probst zog bereits am gleichen Abend ein erstes Fazit fürs politische Frauennetzwerk Sarganserland: Neubürgerinnen abholen, Frauen motivieren und Hilfe anbieten, Frauen dazu auffordern, Frauen zu wählen. Probst sieht darin den Hauptfokus des PFS: «Wir müssen die Frauen unterstützen, an sich und ihre Fähigkeiten zu glauben, damit sie sich einmischen.»
An diesem Abend herrschte parteienübergreifend Konsens darüber, dass das Sarganserland mit dem politischen Frauennetzwerk auf dem richtigen Weg ist. (pd)