Berner sind langsam. So sagt man jedenfalls. Punkto Redegeschwindigkeit wird diese Behauptung nun mit einer Studie der Universität Bern untermauert. Im Rahmen des Projekts «Swiss German Dialects Across Time and Space» haben Wissenschaftlerinnen und Studenten der Uni über 1000 Menschen in 127 Ortschaften in der Deutschschweiz befragt. Die Auswertung zeichnet ein klares Bild.
Vättis ist klares Schlusslicht
Verglichen mit dem Rest des Kantons St. Gallen ist das Sarganserland eher gemächlich unterwegs. Genauso wie die Bürgerinnen und Bürger am Untersee, jedoch anders als unsere Nachbarn in der Region Linth. Besonders in Schänis bedient man sich einer schnellen Aussprache: 264,9 Silben pro Minute beträgt der eruierte Schnitt laut Studie. Damit belegt die Gemeinde unter allen berücksichtitgen den zwölften Platz. Schneller sind nur das Schwyzer Dorf Innerthal und – auffallend – verschiedene Gemeinden im Wallis. Dort wird generell deutlich schneller gesprochen als im Rest der Deutschschweiz, gehen doch bis zu 270,6 Silben pro Minute über die Lippen.
Zurück in den Kanton St. Gallen, wo das Schlusslicht ebenso deutlich ausfällt wie Spitzenreiterin Schänis: Die Ortschaft mit der langsamsten Sprechweise ist Vättis – und zwar nicht nur innerhalb des Kantonsgebiets, sondern in der gesamten Ostschweiz. Mit 259,3 Silben pro Minute sei das Sprachtempo etwa so langsam wie in grossen Teilen des Kantons Bern.
Bedingt repräsentativ
Nebst Vättis berücksichtigt die Erhebung der Uni Bern im südlichsten Kantonsteil einzig noch Mels. Die Gemeinde teilt sich mit 261,8 Silben pro Minute den 56 Rang mit Rorschach/Rorschacherberg, Flawil und Weinfelden. Die Daten sind allerdings mit Vorsicht zu geniessen, weil nur bedingt repräsentativ. So bemängelt etwa der SRF-Journalist und Dialektexperte André Perler, dass pro Ort gerade einmal acht Personen befragt worden seien. Das sei eine kleine Zahl, um anhand dessen exakte Aussagen zu treffen. Eine gewisse «Unschärfe» räumt Adrian Leemann, Professor für Soziolinguistik an der Universität Bern und Projektleiter, bei den meisten Studien der Soziophonetik ein. Bei ganz lokalen Analysen sei darum etwas Zurückhaltung angebracht.
Was aus der Studie allerdings hervorgeht, ist die Erkenntnis, dass physisch-geografische Abgrenzungen die Dialekte und Sprachtempi stark beeinflussen. So liegt etwa die starke Abweichung des Walliserdeutsch von den anderen Schweizer Dialekten an der Abrenzung durch die hohen Berge. Entsprechend stehe unser hiesiger Dialekt nicht etwa dem St. Galler oder Thurgauer, sondern dem bündnerischen nahe, weil das Sarganserland lange engere Beziehungen zu Graubünden pflegte als zu St. Gallen. Historische Verbindungen sind in der Dialektverwandschaft ebenfalls wichtiger als heutige Grenzen.