Am 1. Dezember 1433 beschwert sich Eglolf Blarer, Abt des Benediktinerklosters St.Gallen, bei Bürgermeister und Rat zu St.Gallen, dass etliche St.Galler Bürger nachts ins Kloster eingedrungen seien und seinen Weinkeller geplündert hätten: «nachtz in unsern hof und hus geloffen sind, haben do unsern keller und koch übervallen, haben ouch uns unsern win unerloebt usser unserm kehrn getragen». Der Abt bittet um Aufklärung und Bestrafung der Betroffenen.
Die Plünderung des Weinkellers kann wohl als Handlung gegen die Herrschaftsträger verstanden werden, als eine Art Provokation gegen den Fürstabt von St.Gallen. Wein war nicht nur ein Alltagsgetränk, sondern auch ein Handelsgut, mit dem Einnahmen erzielt wurden. Der Wein ist Symbol der wirtschaftlichen Spezialisierung der Region und auch Streitthema zwischen Stadt und Kloster, die beide darum konkurrenzierten.
Das Kloster war der grösste Grundherr der Region St.Gallen und hatte ein Einflussgebiet vom Toggenburg bis ins Rheintal. Das Rheintal war im 15. Jahrhundert stark spezialisiert im Weinbau und belieferte unter anderem die Stadt, wo die Nachfrage nach Wein stetig stieg. Reiche Stadtsanktgaller Bürger und Bürgerinnen sowie städtische Institutionen kauften im Umland der Stadt Land, das sie verpachteten und dafür Abgaben wie Wein erhielten.
Der grösste Grundbesitzer der Stadt St.Gallen war das Heiliggeistspital, das es seit 1228 gab. Neben der Versorgung der Spitalinsassen und -insassinnen war der Wein auch ein wichtiges Handelsgut für das Spital.