Fische bekommen zu wenig Futter
«Die Ursache ist ganz klar», sagt der Fischer. «Wir haben keinen Nachwuchs mehr. Die Jugend interessiert sich nicht mehr für unser Handwerk und will nicht mehr beim ersten Licht des Tages knietief im Wasser stehen.» Das allein habe schon einen grossen Einfluss, doch es sei letztlich nur die Spitze des Eisbergs. «Seit 15 Jahren machen wir auf die Missstände und Probleme aufmerksam. Menschengemachte Probleme!»
Konkret: «Die Rheinverbauung hat einen grossen Einfluss auf die Nährstoffzufuhr für die Fische – sie bekommen zu wenig Futter. Der Klimawandel hat ausserdem zur Folge, dass der See nicht mehr genügend umgewälzt wird.» Vor wenigen Jahren machte ausserdem die Quagga-Muschel Schlagzeilen. «Diese durch den Menschen eingeschleppte Muschel nimmt den Fischen die Nahrung weg.» Der Schädling verbreitet sich munter weiter, die Bodensee-Anrainerstaaten schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu.
Dazu kommt die Überpopulation der Kormorane, gegen die ebenso wenig unternommen wird. Kormorane sind Vögel, die sich von Fischen ernähren «und jährlich rund 600 Tonnen an Felchen aus dem Bodensee fischen». Felchen sind der beliebteste Speisefisch der Ostschweizer und waren lange Zeit die Haupteinnahmequelle der Bodenseefischer.
«Geschickte Dezimierung»
Diese Probleme ziehen seit Jahren immer weiter an. Die Fangerträge sind immer stärker rückläufig; laufend werden Negativ-Rekorde aufgestellt. «Schon seit Jahren haben wir keine Felchen mehr gefangen.» Jetzt würden zudem auch die Beifänge fehlen. «Derzeit sind wir an einem historischen Tiefpunkt angelangt. Zwar wird der Beruf nicht aussterben, aber bereits jetzt kann niemand mehr von der Fischerei leben. Wir alle brauchen ein Nebeneinkommen.» Im Herbst ist es gar noch schlimmer: «Die Politik schreibt uns vor, dass wir jeweils erst bei Sonnenaufgang arbeiten dürfen. Dadurch werde ich aber in der späteren Jahreshälfte stark in meinem Geschäft eingeschränkt», sagt Reto Leuch.
Die Politik wiederum schreitet zwar ein, doch die Fischer sind damit nicht zufrieden, weil zu zögerlich. «Die Politik könnte einen schnellen Entscheid fällen – wie sie es auch beim Wolf tut. Mit einem raschen Dekret könnten wir sofort handeln und in die Brut der Kormorane eingreifen. Denn es gibt schlicht und einfach eine Überpopulation.» Durch eine gezielte Dezimierung würden die Vögel weniger Fische wegnehmen und den Bestand nicht zusätzlich verkleinern. Auch wäre es gemäss Leuch begrüssenswert, wenn die Politik in der Thematik «fehlende Nährstoffe im See» handeln würde. «Doch das ist ein Tabuthema.» Warum, fragt man sich da, geniesst das Thema «Bodenseefischerei» bei den Ostschweizer Politikern ein Schattendasein?
Ein Kampf gegen Windmühlen
Als Reaktion auf den Import-Markt hat Reto Leuch gemeinsam mit anderen Branchenvertretern mit «Wildfang Bodensee» ein eigenes Label lanciert. «Dadurch können wir unsere regionalen Fische vermarkten und darauf hinweisen, dass sie tatsächlich aus dem Bodensee kommen. Das hat zwar seinen Preis, doch wem Regionalität wirklich am Herzen liegt, der kauft keinen Tiefkühlfisch aus dem Supermarkt, sondern zahlt den Aufpreis und bekommt einen waschechten Bodensee-Fisch.»
Was kann man also abschliessend sagen? Der Bodenseefischerei geht es nicht gut; derzeit ist weit und breit keine Besserung in Sicht. Dennoch zeigt man sich kampfwillig und möchte diesen wichtigen Wirtschaftszweig nicht einfach aufgeben. «Wir führen so etwas wie einen Kampf gegen Windmühlen. Wir werden immer weniger, aber aufgeben werden wir sicher nicht. Schliesslich ist der Fisch aus dem Bodensee nicht nur ein Wirtschaftszweig, sondern auch Kulturgut», lässt sich Leuch nicht unterkriegen.