Viele kulturinteressierte Menschen waren ins Kinotheater Madlen gekommen, um diesjährige Verleihung des Rheintaler Kulturpreisses «Goldiga Törgga» mitzuerleben. Nicht nur aus dem St.Galler Rheintal, sondern auch viele aus Vorarlberg. Denn schliesslich wurde mit dem Hohenemser Jüdischen Museum erstmals ein Preisträger aus dem benachbarten Ausland ausgezeichnet. Und erstmals war es keine Person, sondern eine Institution, die diesen Preis erhielt.
Der «Goldiga Törgga» und der Spazierstock des Paul Grüninger
Eine bessere Welt
«Das Jüdische Museum Hohenems will mit seiner Tätigkeit die Vision einer besseren Welt verwirklichen, wie sie derzeit in weiter Ferne erscheint», führte Christa Köppel als Präsidentin der Rheintaler Kulturstiftung in ihrer Begrüssungsrede aus. Dieses Museum wurde 1991 in der Villa Heimann-Rosenthal im Zentrum des ehemaligen Jüdischen Viertels in Hohenems eröffnet und hat von Anfang an einladend und lebensnah eine exemplarische Geschichte der Diaspora erzählt und sich auch mit der jüdischen Gegenwart in Europa beschäftigt. Wechselnde, immer wieder provokante Fragen aufgreifende Ausstellungen ergänzten immer wieder die Dauerausstellung.
Weshalb die Jury unter Präsidentin Ursula Badrutt mit einem breiten Blick auf das Kulturschaffen im ganzen Tal den diesjährigen Goldiga Törgga dieser wichtigen Einrichtung und deren langjährigem Direktor Hanno Loewy, der natürlich persönlich anwesend war, zugesprochen hat. Mit Bedauern musste Christa Köppel an dieser Stelle mitteilen, dass die Rheintaler Kulturstiftung und die Jury künftig auf die Mitwirkung der bisherigen langjährigen Mitglieder Hans-Peter Enderli und Roger Berhalter aufgrund deren Ausscheidens verzichten muss.
Video: Ulrike Huber
Eines der berühmtesten Museen Mitteleuropas
Es folgte eine emotionale und engagierte Laudatio auf das Museum und seinen Direktor Hanno Loewy durch den bekannten Regisseur, Theaterautor, Essayist und Wissenschaftler Milo Rau. «Warum liegt das berühmteste jüdische Museum des deutschen Sprachraums – oder überhaupt eines der berühmtesten Museen Mitteleuropas in einer kleinen Stadt, deren Name sonst eher selten genannt wird?», warf Milo Rau die Frage auf. Denn eines sei sicher: in Hohenems habe es ein Museum geschafft, einen Ort berühmt zu machen, was wohl einzigartig sei.
Und beantwortete die Frage gleich selbst. «Weil das Jüdische Museum Hohenems eine Metapher für ein Konzept der Mehrdeutigkeit, der Offenheit, des grenzenlosen und mehrdimensionalen Verstehens, einer Kunst und Erinnerungspolitik, wie sie kaum mehr praktiziert wird und ja auch leider kaum jemals praktiziert wurde, ist.» Und das in einer Zeit, die Eindeutigkeit spüren wolle.
Menschen aus der Reserve locken
Sichtlich gerührt nahm Hanno Loewy den Goldiga Törgga aus der Hand von Christa Köppel entgegen. Und bedankte sich vor allem bei seinem Museumsteam, «den Menschen, die es möglich machen, andere Menschen aus der Reserve zu locken.» Der «Goldene Türken» sei der richtige Preis für dieses Museum führte Loewy augenzwinkernd aus, denn schliesslich habe man sich auch schon mit der Geschichte der Migranten aus der Türkei beschäftigt.
Doch Christa Köppel hatte noch eine besondere Überraschung für den sichtlich von Rührung überwältigten Museumsdirektor: den originalen Gehstock des Paul Grüninger, jenes Mannes, der in der dunklen Zeit der Naziherrschaft zahllosen jüdischen Flüchtlingen entgegen der Weisung seiner Vorgesetzten den lebensrettenden Grenzübertritt in die Schweiz über den Rhein ermöglicht hatte. Und dafür mit der Entlassung und dem lebenslangen Entzug seiner Pensionszahlungen «belohnt» wurde. Der Spazierstock sei ein Geschenk von Frau Ruth Haller, einer noch lebenden Verwandten von Grüninger. Und ist mit einem Jagdhund verziert, «das passende Geschenk für Hanno Loewy, der eine feine Nase für Ausstellungsthemen bewiesen hat».
Laudatio durch drei Personen
Doch es gab noch eine weitere Überraschung an diesem würdigen Preisverleihungsabend. Denn Christa Köppel tritt nach sechzehn Jahren als Präsidentin der Rheintaler Kulturstiftung zurück und wird ihr Amt an die Bernecker Gemeindepräsidentin Shaleen Mastroberardino übergeben. Weshalb ohne Wissen der eloquenten ehemaligen Widnauer Gemeindepräsidentin eine Laudatio auf sie und ihr Werk organisiert worden war. Eine Laudatio, die gleich von drei Personen gehalten wurde.
Vom Präsidenten des Vereins St.Galler Rheintal Reto Friedauer, von Karl Stadler und Jolanda Spirig, der ersten Preisträgerin des Goldiga Törgga. Friedauer brachte es auf einen kurzen Nenner: «Liebe Christa, Du hast schon lange ein Goldpräsent verdient. Denn Du warst massgeblich daran beteiligt, dass vor siebzehn Jahren die Rheintaler Kulturstiftung gegründet wurde. Damit wurde ein «One-Stop-Shop» für alle Kulturschaffenden des Rheintals aufgebaut. Du warst die Seele dieser Kulturstiftung. Ganz einfach einzigartig.»
Segensreiche Wirkung
Der ehemalige Unternehmer Karl Stadler (SFS) erzählte aus der fruchtbaren Zusammenarbeit mit Christa Köppel durch all die Jahre hindurch. Und die Autorin Jolanda Spirig erläuterte, welch segensreiche Wirkung die durch die Rheintaler Kulturstiftung ermöglichte Finanzierungsvereinfachung aus der Sicht der Kulturschaffenden entfaltet hat. Und insbesondere, was der Goldiga Törgga für die damit ausgezeichneten Künstler bedeutet.
Weshalb Sabina Saggioro als Geschäftsleiterin des Vereins St.Galler Rheintal erläuterte, dass man extra für Christa Köppel einen neuen Kulturehrenpreis geschaffen habe: den Goldiga Törgga Special Edition. Der auch sogleich überreicht wurde.