Die Idee, Bündner Produkte im Foodbereich zu kennzeichnen, um diese über die Kantonsgrenzen hinaus und im Ausland vermarkten zu können, sei grundsätzlich kein schlechtes Unterfangen. Das sagt ein Bündner Lebensmittelproduzent, der selbst einige zertifizierte Produkte in seinem Sortiment führt, seinen Namen aber nicht in der Zeitung lesen will. «Was ich kritisch sehe, ist, dass diese Labels automatisch gewisse Kleinproduzenten ausschliessen», ergänzt er. Grund dafür sei, dass der Zertifizierungsprozess der Labels viel Bürokratie mit sich bringe. «Das bedeutet, dass eher grosse Betriebe ihre Produkte zertifizieren lassen», sagt der Produzent. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Einschränkung der Kreativität, weil man bei der Entwicklung eines neuen Produkts, das man zertifizieren möchte, immer diesen bürokratischen Prozess im Hinterkopf habe. «Als Produzent überlegt man sich zweimal, ob man diesen Aufwand machen möchte.»
Kritik am Kanton
«Als Kleinproduzent, der in seiner Region seine Produkte verkauft, braucht man diese Labels nicht», sagt dieser Produzent. Auch wenn man sein Produkt bei einem Delikatessenhändler in Zürich verkaufen möchte, sei das Label nicht nötig. «Diese Verkaufskanäle kann man direkt mit den Händlern regeln, und wenn diese mit deinen Standards einverstanden sind, dann kommt das Geschäft zustande». Deshalb hätten für ihn die Labels ihre Daseinsberechtigung einzig für grössere Produzenten und grössere Händler. Hier setze auch seine Kritik am Kanton Graubünden an, erklärt er weiter. So verspreche dieser, dass Labels wie zum Beispiel die von Alpinavera für den Kleinproduzenten von Vorteil seien, um mehr Produkte absetzen zu können. «Für mich ist der Nutzen dieser Labels für Kleinproduzenten aber gleich null», wird er deutlich. Auch dass das Geld für die Förderung der Produkte aus dem Landwirtschaftstopf kommt, stösst ihm sauer auf. Seiner Meinung nach sollte für solche Anliegen kein Steuergeld verwendet werden.
Zu wenig Schweine
Verdeutlichen lässt sich die Kritik mit Bündner Rohschinken. Dieses Produkt gilt als kulinarisches Erbe Graubündens und wird auch so auf der Website von Graubünden Viva beworben. Das Problem dabei sei, dass es in Graubünden eigentlich zu wenig Schweine habe, um die Nachfrage nach Bündner Rohschinken zu decken. «Das bedeutet, dass die Labels die Herkunft verwässern und der Rohschinken nicht ausschliesslich aus Bündner, sondern aus Schweizer Schweinefleisch hergestellt werden kann», sagt der Produzent. Damit seien die Spiesse für einen Grossproduzenten und einen Bündner Kleinproduzenten nicht gleich lang. Das Ziel des Labels müsse doch sein, dass mehr Bündner Bauern Schweine halten würden, weil sie damit mehr verdienen könnten, weil Bündner Rohschinken so gesucht sei. «Das passiert aber nicht, weil generell einfach Schweizer Fleisch verwendet werden kann.» Man fördere damit nur Produkte, für die man schon jetzt zu wenig einheimisches Rohmaterial habe.
Mittel falsch eingesetzt
Ein weiterer Kritikpunkt seien die finanziellen Beiträge des Kantons, die für diese Marketingaktivitäten wie zum Beispiel Graubündenviva ausgegeben werden, sagt der Produzent weiter. Er habe keine Probleme damit, seine Produkte zu verkaufen. Ein viel grösseres Problem habe er mit der Rekrutierung von Fachpersonal. Er sehe deshalb drei Punkte, wie er als Produzent vom Kanton besser unterstützt werden könne als mit Marketingmassnahmen. «Da ist erstens die Rekrutierung von Personal, wo die Verbände der Lebensmittelindustrie und die Gewerbeschulen zusammenarbeiten müssen, um die Ausbildung zu fördern und attraktiv zu gestalten», sagt er. Zweitens müsse die Bürokratie abgebaut werden. So sei er beispielsweise viel mit Etikettendeklarationen und dem Ausfüllen unzähliger Formulare für die Zertifizierungen und für das Einhalten der Lebensmittelsicherheit beschäftigt, anstatt kreativ neue Produkte entwickeln zu können. Und drittens könnte der Kanton mit diesen Geldern die Produzenten bei der Anschaffung moderner Infrastruktur unterstützen, anstatt in Marketingmassnahmen zu stecken. «Ich meine damit nicht, dass der Kanton unbesehen Geld an Produzenten verteilt. Aber eine gezielte Unterstützung mit zum Beispiel zinslosen Darlehen würde mehr helfen», zeigt er sich überzeugt.