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31.07.2025

Seismometer macht Erdbeben für Kantischüler erlebbar

Sprung-Experiment der Kantischüler
Sprung-Experiment der Kantischüler Bild: zVg
Im Keller der Kantonsschule am Burggraben liefert ein Seismometer Echtzeitdaten für den Unterricht und macht Erdbeben dadurch für Schüler direkt erfahrbar. Auch das aktuelle Erdbeben in Russland wurde deutlich registriert. Das Messgerät ist Teil des Projekts seismo@school des Schweizerischen Erdbebendienstes an der ETH Zürich und gelangte auf Initiative der Pädagogischen Hochschule St.Gallen in die Ostschweiz.

Im Keller der Kantonsschule am Burggraben in St.Gallen steht seit dem vergangenen Jahr ein Seismometer, ein kleines Gerät, das feinste Erschütterungen im Boden misst. «Das kann ein leichtes oder stärkeres Erdbeben sein – oder einfach die Appenzeller Bahn, die draussen vorbeifährt», erklärt Rolf Bürki, Dozent für Geografie an der PHSG.

Die Daten werden direkt ins System des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED) an der ETH Zürich eingespeist und sind zu jeder Zeit für alle online einsehbar. «Die Daten und ihre Auswertung sind für den Unterricht an der Schule, aber auch für uns an der PH sehr spannend und wertvoll», sagt er.

Bewusstsein für Erdbebenvorsorge stärken

Die Kantonsschule am Burggraben ist eine von mehreren Schulen in der Schweiz, die mit dem sogenannten Raspberry Shake-Seismometer ausgestattet wurden. Diese Geräte sind Teil des nationalen Bildungsprojekts seismo@school, das vor einigen Jahren von der Universität Lausanne und der HES-SO Valais-Wallis in der Westschweiz initiiert und 2023 im Rahmen eines Nationalfondsprojekts vom SED auf die ganze Schweiz ausgeweitet wurde.

Ziel ist es, Schüler für das Thema Erdbeben zu sensibilisieren und das Bewusstsein für die Erdbebenvorsorge zu fördern. «Als ich von diesem Projekt hörte und sah, dass St.Gallen als Standort noch fehlte, wollte ich dies ändern», sagt Rolf Bürki. Das PH-Gebäude im Hadwig sei wegen der Nähe zu den Autobahn- und Zugtunneln sowie zur Olma jedoch wenig geeignet gewesen. «Das hätte die Messergebnisse zu stark verfälscht.»

Der PHSG-Dozent machte sich auf die Suche nach einer passenden Lösung und wurde an der Kantonsschule am Burggraben fündig. Dort gab es einen geeigneten Raum. Zudem war das Interesse der Schule sofort spürbar und die Zusammenarbeit gestaltete sich von Anfang an unkompliziert. Seither liefert das Seismometer rund um die Uhr Messdaten in die zentrale Datenbank des SED, zusammen mit vielen weiteren Stationen in der Schweiz.

Sprungexperiment mit Schülern

Was auf den ersten Blick nach trockener Technik klingt, ist für den Schulunterricht ein echter Glücksfall. Die Schüler können nicht nur aktuelle Erdbeben beobachten und deren Epizentren bestimmen, sondern auch selbst aktiv werden. Erschütterungen lassen sich experimentell auslösen und deren Auswirkungen live auf dem Seismogramm verfolgen. Ein solches Experiment hat Kantonsschullehrer Patrick Hager an diesem Morgen mit Schülern geplant.

Im Zimmer, das ein Stockwerk über dem Kellerraum mit dem Seismometer liegt, dürfen die Jugendlichen für einmal auf ihre Stühle stehen. Auf dem grossen Bildschirm vorne hat der Lehrer das Seismogramm aufgeschaltet, welches es der Klasse ermöglicht, die Auswirkungen ihres Sprung-Experiments mitzuverfolgen. «Drei, zwei, eins», ruft der Lehrer und alle hüpfen vom Stuhl auf den Boden. Noch ist nicht viel zu sehen, da nicht alle synchron gesprungen sind.

Deshalb wird das Ganze wiederholt. Beim zweiten Mal klappt es – und auf dem Bildschirm ist die Erschütterung sofort als zackige Linien zu erkennen. Die Schüler staunen, welch grosse Bewegungen ihr Sprung ausgelöst hat. «Solche Experimente machen das Thema greifbarer», sagt Patrick Hager, «plötzlich sehen die Schüler mit eigenen Augen, wie es funktioniert.» Dadurch wird das Seismometer nicht nur zum wissenschaftlichen Instrument, sondern auch zum didaktischen Werkzeug mitten im Schulzimmer.

«Mikrobeben gehören zum Alltag»

Mikrobeben ereignen sich in der Schweiz ständig, wenn auch oftmals unbemerkt. «Dennoch sind sie ab einer Magnitude von ungefähr 1 mess- und auswertbar, und genau dies macht sie für die Lehre so interessant», sagt Rolf Bürki. Am 1. März 2025 beispielsweise wurde in St.Margrethen ein leichtes Beben registriert, das beinahe spürbar war.

Das Seismometer an der Kantonsschule am Burggraben zeichnete die Erschütterung auf, was ein guter Anlass war, das Thema mit Studenten der PHSG praxisnah zu vertiefen. Doch nicht nur lokale Ereignisse hinterlassen in den Seismogrammen ihre Spuren.

Das sehr starke Erdbeben vor der Küste Kamtschatkas in Russland mit einer Magnitude von 8.7 zeigte am Donnerstag, 30. Juli, deutliche Ausschläge. Das Erdbeben löste heftige Tsunamis aus, die auf Küsten im Pazifik und auf Hawaii trafen.

Grosser Nutzen für Studenten

An der PHSG profitieren Studenten auf zwei Ebenen von den Daten: erstens fachwissenschaftlich im Modul Geologie und Geomorphologie, in dem Erdbeben thematisiert werden, und zweitens fachdidaktisch im Fachbereich Räume, Zeiten, Gesellschaften (RZG). «Dort wird das Thema meist dann aufgegriffen, wenn es aktuell ist», sagt der PHSG-Dozent.

Die Möglichkeiten dabei sind vielfältig und reichen von der Auswertung realer Daten bis hin zum erdbebensicheren Bauen. «Durch die Teilhabe am Projekt stärken wir zudem unser Netzwerk: zur ETH, zu anderen Schulen, zur Forschung. Das ist sehr wertvoll», so Rolf Bürki.

Er kann sich gut vorstellen, dass in Zukunft auch mehr daraus entstehen kann. «Vielleicht ein Entwicklungs- oder Forschungsprojekt.» Vorerst zählt für ihn aber vor allem der konkrete Nutzen für Schule und Ausbildung.

pd/tan