Das Ilios Quartett, bestehend aus Mitgliedern des Tonhalleorchesters Zürich, ist seit vielen Jahren ein vertrautes Ensemble, das in der Regel jeweils am Konzert zum Spätherbst in der Antoniuskirche in Wangs gastiert. Es war die gleiche Besetzung wie letztes Jahr: Thomas Garcia und Seiko Périsset-Morishita (Violine; Paul Westermayer (Viola) und Anita Federli-Rutz, Gründungsmitglied des Quartetts (Violoncello).
Im Schatten des Bruders
Dass der berühmte Komponist Joseph Haydn einen fünf Jahre jüngeren, hochtalentierten und musikalisch genialen Bruder hatte, wird oft vergessen: Johann Michael Haydn (1737–1806). Dieser war mit Mozart die führende Musikerpersönlichkeit am fürsterzbischöflichen Hof in Salzburg und schrieb nicht weniger als 40 Sinfonien, 30 Messen, zahlreiche kammermusikalische und andere Werke, worunter auch sechs Streichquartette.
Das im spätherbstlichen Konzert aufgeführte Streichquartett Nr. 5 in F-Dur dürfte das herausragendste sein; mit dem Adagio das einzige viersätzige Werk dieser Serie. Es erinnert am meisten an die seines Bruders Joseph und an die früheren Quartette Mozarts. Mit gewohnter Meisterschaft interpretierte das Ilios Quartett das überaus hörgefällige Werk mit dem melodischen Satz im Allegro moderato, dem tänzerischen Menuett und dem wunderschönen Adagio.
Aus der Hochblüte der Streichquartette im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts hat Mozart 28 Kompositionen hinterlassen, wovon an diesem Konzert jenes in D-Dur, KV 499 zur Aufführung kam. Es wurde auch schon als Mozarts Lieblings-Streichquartett bezeichnet. Die Komposition («Hoffmeister-Quartett»1786) besticht durch den fast dauernden vierstimmigen Streichersatz in extremer Dichte und Klangschönheit im einleitenden Allegretto, das nachfolgende ländlerhafte Menuett sprengt den Rahmen eines Gesellschaftstanzes. Vom kontrastreichen und gefühlvollen Adagio mit reichen Verzierungen und melodischen Gesten hat Alfred Einstein einmal gesagt, es spreche «in noch niemals gehörter Tiefe von gewesenem Leid». Im finalen stürmischen Molto Allegro im rasanten Wechselspiel zwischen Geigen und Cello ist dann allerdings nichts mehr von Melancholie zu spüren.
Von der Klassik zur Romantik
Während die beiden Streichquartette von Michael Haydn und W.A. Mozart nur drei Jahre auseinander liegen, ist das Streichquartett in Es-Dur von Franz Schubert (1797–1828) gut 25 Jahre später bereits in der Frühromantik angesiedelt. Ein schlichtes, einprägsames Choralthema, in Variationen wiederholt, bestimmt das einleitende Allegro moderato, dem mit Oktavsprüngen ein mitreissendes Scherzo folgt, während das anschliessende Trio eher leicht melancholische Züge aufweist und an eine Drehleier erinnert.
Im gefühlvollen Adagio wird unverkennbar an das Hauptthema des ersten Satzes angeknüpft. Im abschliessenden Allegro mit Dialogen zwischen erster Geige und Cello mündet das nach oben stürmende Geigenthema in Triolen und führt zu einem fulminanten Finale. Einmal mehr hat das hochkarätige Ilios Quartett das Publikum restlos begeistert und liess dem langanhaltenden tosenden Applaus als Zugabe ein heiterlüpfiges Stück von Joseph Haydn folgen.