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Walenstadt
10.11.2021

Die «Alpenhof»-Gemeinschaft sucht ein neues Zuhause

Bild: Sardona24
Seit über 30 Jahren ist die Wohngemeinschaft «Alpenhof» in Walenstadtberg ein Lebensraum für kognitiv oder psychisch beinträchtige Menschen. Nun suchen sieben Bewohnende und ihre sieben Betreuenden ein neues Zuhause – und einen damit verbundenen Neuanfang. Allzu einfach gestaltet sich diese Suche allerdings nicht.

Zu klopfen braucht man hier oben nicht. Die Türen zum «Alpenhof» stehen sowieso für jedermann und jede Frau offen. Besucherinnen und Besucher gibt es hier zahlreich, sie sind jederzeit herzlich Willkommen. Peter steht im Gang und bemerkt den heutigen Besuch als Erster. Zusammen mit einem Betreuer verrichtet er den Haushalt – einen Teil der Tagesstruktur, die der Bauernhof in Walenstadtberg für Menschen wie Peter bereithält. Denn Peter ist kognitiv beeinträchtigt. Er ist einer von sieben Personen, die den «Alpenhof» teils schon seit über 30 Jahren ihr Zuhause nennen. Weitere sieben Personen, darunter Fachangestellte Betreuung, Sozialpädagogen, Arbeitsagogen und drei Lernende, gehen hier fast täglich ein und aus. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, sich um diese psychisch und/oder kognitiv beeinträchtigen Menschen zu kümmern, mit ihnen zu leben und zu arbeiten. Schon ein erster Blick reicht aus, um zu erkennen: Hier geht Familie über das Blut hinaus.

ABSCHIED VON EINER UNVERGLEICHLICHEN WELT

Es ist eine kleine unvergleichliche Welt, in der die Bewohnenden des «Alpenhofs» leben dürfen. Eine Welt voller Aufgaben wie die Pflege von 17 hauseigenen Schafen und ihren Lämmern, Kleintieren wie Enten, Hühnern und Nagetieren oder der Hündin Nala, dem neusten Mitglied der Wohngemeinschaft. Aufgaben wie Garten-, Haus- oder Forstarbeit. Tätigkeiten wie Garten-, Haus- oder Forstarbeit sowie Basteln im externen Atelier unten in Walenstadt. Es ist nicht etwa eine verschlossene, isolierte Welt. Vielmehr stehen für Sozialpädagogin Susanne Guntli Inklusion, Selbstbestimmung und das Normalisierungsprinzip an oberster Stelle. Seit acht Jahren haben sie und ihr Mann Markus Guntli die Leitung des Alpenhofs inne.

In naher Zukunft sollen die Türen des «Alpenhofs» allerdings schliessen. Und zwar für immer. Weil das alte Gebäude für die besonderen Bedürfnisse der Wohngemeinschaft infrastrukturell nicht mehr ausreicht, steht der Abschied von Walenstadtberg und ein Umzug in ein neues Zuhause bevor. «Auf zu neuen Ufern», nennt Guntli ihr Vorhaben und zeigt sich zuversichtlich und offen. Zwar sehe sie dem Tag X nicht nur mit einem lachenden, sondern auch mit einem weinenden Auge entgegen: «Einerseits ist es schwierig, jene Freiheit aufzugeben, die dieser Bauernhof hier oben birgt.» Ihr fällt kein anderer Ort ein, wo sie sich mehr Raum für die Ausübung ihres Berufs vorstellen kann.

Andererseits freut sie sich auf mehr Chancen auf Inklusion, also auf die Einbindung der Bewohnenden in die Gesellschaft, auf neue Möglichkeiten, Ressourcen optimaler zu nutzen und auf mehr Selbständigkeit, die auch die Bewohnenden an einem neuen Ort erfahren dürfen. Denn eines ist für Guntli klar: «Wir haben immer gesagt, dass wir, wenn wir irgendwann den Walenstadtberg verlassen, näher an eine grössere Siedlung ziehen.»

EINE VIELZAHL AN ANSPRÜCHEN

Wohin der Weg die Wohngemeinschaft dereinst führen wird, ist heute noch unklar. «Wir sind intensiv auf der Suche nach einem neuen Zuhause. Bisher sind wir aber noch nicht fündig geworden.» Glücklicherweise stehen die Leiter der Wohngemeinschaft unter keinem zeitlichen Druck und können noch im «Alpenhof» bleiben, bis ein neuer Platz gefunden ist. Trotzdem möchte die Wohngemeinschaft einen Umzug zeitnah realisieren. Denn die Ansprüche, die eine WG wie die ihre naturgegeben mit sich bringt, sind vielfältig. «Wir suchen im Optimalfall ein Bauernhaus oder ein Haus mit Einliegerwohnung mit mindestens acht Schlafzimmern, einem Büroraum, einer grossen Küche und Essbereich. Die Möglichkeit mit einem Stall zur Schaf- und Kleintierhaltung würde den neuen Wohnort optimal ergänzen.» Ein grosser Garten für den Gemüseanbau und ein Raum für ein neues Atelier dabei würden das Glück der «Alpenhof»-Familie perfekt machen.

Die Ansprüche kommen nicht von ungefähr. Denn laut Guntli sind es eben diese kleinen Aufgaben wie die Haltung der Tiere oder das Pflegen des Gemüsegartens, die den Bewohnenden Struktur und Lebensfreude geben. Nicht nur finden sie sich in einem geregelten Alltag gut zurecht, auch würden sie ein Verständnis für den Kreislauf des Lebens entwickeln. «Sie verstehen, was es bedeutet, wenn ein Schaf lammert. Dass man Holz scheiten muss, um im Haus nicht zu frieren. Dass man Samen auslegen muss, um später einmal Gemüse zu ernten.»

Entsprechend würde das Konzept der Gemeinschaft angepasst, damit die Lebensqualität der Bewohnenden weiterhin auf gleichartigem Niveau erhalten bleiben kann, wenn sie ihre Tiere, den Garten und den Freiraum nicht mehr hätten. Im Wissen, dass die Suche nach dem perfekten Ort für die WG schwierig sein würde, zeigt sich Guntli aber zu grossen Stücken kompromissbereit. «Als alternative Variante könnten wir uns vorstellen, auf den Stall und die Haltung der Schafe zu verzichten und nur die Kleintiere zu behalten. Einen grossen Umschwung brauchen wir darum aber so oder so.»

Zwar stehen Guntlis mit den Immobilienmaklern der Region in Kontakt. Susanne Guntli richtet aber gleichzeitig einen Appell an die Öffentlichkeit. «Wenn jemand etwas weiss oder jemanden kennt, der oder die ein solches Objekt für unsere gute Sache zur Verfügung stellen könnte, wären wir um jeden Hinweis dankbar.» Die Sozialpädagogin ist sich sicher, dass sich irgendwo in der Region ein Plätzchen finden lässt. Für sie und ihren Mann, für Peter und seine sechs Mitbewohner, für die Mitarbeitenden und Tiere. Ein neues Zuhause für eine einzigartige, kunterbunte Wohngemeinschaft.

Susanne Guntli (079 651 66 14)
Markus Guntli (078 639 11 90)
leitung.alpenhof@chupferhammer.ch

Sardona24